1169 - Pforte des Loolandre
Heiliges.
Nimm an, du seist damit beauftragt, den Loolandre vor dem Zugriff Unbefugter, Unehrlicher, Unfähiger zu schützen. Wie würdest du es tun?"
„Ich würde es so einrichten, daß Unschuldige nicht zu Schaden kommen", erklärte Perry, der nun überzeugt war, daß dem Loolandre eine wichtigere Bedeutung zukam, als sie bisher angenommen hatten.
„Unschuldige? Wer den Loolandre sucht, der sucht die Macht. Wie kann einer, der die Macht sucht, unschuldig sein? Er sucht sie entweder, weil sie ihm gebührt; dann wird er sie erlangen. Oder er sucht sie, weil ihn nach Macht gelüstet. Verdient er dann nicht, daß ihm das Handwerk gelegt wird?"
Es gab hundert Dinge, die Perry darauf hätte antworten können. Aber es wohnte den Worten des Zwergs eine exotische und gleichzeitig zwingende Logik inne, die ihn unwillkürlich nachdenklich stimmte.
„Wir waren bereit, uns zurückzuziehen", sagte er nach kurzem Überlegen. „Ihr ließt uns nicht gehen."
„Für immer zurückzuziehen?" fragte Chmekyr. „Mit der festen Absicht, niemals wieder die Hand nach dem Loolandre auszustrecken? Oder nur ein Stück weit davonzufliegen, um der Gefahr zu entgehen? Eine Ruhepause einzulegen und eine neue Taktik für den zweiten Versuch zu entwickeln?"
Als Perry ihm darauf die Antwort schuldig blieb, fuhr der Gnom fort: „Du siehst, daß, obwohl wir uns nicht auf der Ebene deiner Wirklichkeit befinden, alles wohlüberlegt ist und seinen verständlichen Grund hat Der Loolandre muß geschützt werden; denn wer ihn mißbrauchte, der brächte unendliches Unheil über die Endlose Armada und verhinderte für alle Ewigkeit die Ausführung des Planes, der von Ordoban entwickelt wurde. Kommt aber einer, der wirklich das Recht hat, Zutritt zum Loolandre zu erringen, so mag er zwar vorübergehende Widrigkeiten erleiden, bis es ihm gelingt, die Richtigkeit seines Anspruchs zu beweisen. Aber schließlich und endlich kann es nicht ausbleiben, daß ihm sein Recht wird. So will es der Zhakra."
So sprach Chmekyr, und während er sprach, wurden die Umrisse des zwergenhaften Körpers unscharf, die Gestalt mit der faltenreichen Haut durchsichtig. Als das letzte Wort verklang - jenes geheimnisvolle, dessen Bedeutung Perry noch immer nicht begriffen hatte - da war auch der Pförtner des Loolandre verschwunden. Zurück blieben nur der Spezialroboter und die Maschinen, die in verbissener Aktivität vor sich hin summten und aus der Substanz der Wände Austern, Langostinos, Hummer und Kalbsrücken fabrizierten.
Perry verließ die Halle und machte sich auf den Weg zum nächsten Transmitter. Er war nachdenklich. Die seltsamen Ereignisse der letzten Tage, das unheimliche Abenteuer in der Zone der verschobenen Wirklichkeit erschienen plötzlich in einem anderen Licht. Was er für die frivole Schikane eines außer Rand und Band geratenen Kontrollmechanismus gehalten hatte, zeigte sich jetzt - wenn er Chmekyrs Darstellung glauben wollte - als eine sinnvolle, ja sogar moralische Maßnahme zum Schutz eines Gutes von ungeheurem Wert.
Ein merkwürdiger Gedanke war ihm gekommen, während er dem Pförtner zuhörte. Das Konzept, an dem die Mannschaften der Galaktischen Flotte erprobt wurden, war das der Völlerei. Die Völlerei war eine der von Petrus Lombardus definierten sieben Todsünden.
Hatte er recht mit der Annahme, daß es sich bei den Vorgängen der jüngsten Vergangenheit nicht so sehr um einen Versuch handelte, die Galaktische Flotte zu zerstören, wie vielmehr um eine moralische Prüfung der Terraner und ihrer Verbündeten?
Welch unglaublicher Zufall wäre es, daß ausgerechnet ein Aspekt der christlichen Moral dieser Erprobung zugrunde läge!
Er spekulierte. Ein Weg, Zutritt zum Loolandre zu gewinnen, war, Nachors verschüttetes Gedächtnis zur Herausgabe des geheimen Kodespruchs zu zwingen. Öffnete das Bestehen der Prüfung einen Alternativweg? Würde die Galaktische Flotte die erste Pforte passieren dürfen, wenn es ihren Besatzungen gelang, das Übel der Völlerei von sich abzuschütteln? Was war mit den übrigen Pforten? Bildeten sie weitere Sprossen auf der Sündenleiter des Petrus Lombardus? Würden sie sich vor den drei verbleibenden Barrieren mit Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Neid oder Trägheit des Herzens herumschlagen müssen?
Das hieß, die Analogie zu weit treiben. Es gab sieben Todsünden, aber nur vier Pforten.
Daß die Völlerei als erstes Prüfungsthema gewählt worden war, konnte nichts anderes als ein Zufall sein.
Er war
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