1171 - Emilys Engelszauber
Namen der jungen Frau.
»Hör auf, Emily! Keine Toten mehr!« Glenda hielt es nicht mehr auf ihrem Platz. Sie lief zu Emily, die sich jetzt aufrichtete und sich langsam drehte.
Glenda winkte ihr mit beiden Händen überkreuz zu. »Das kannst du nicht tun. Lass sie leben. Sie ist nicht so wie die beiden Typen auf der Wiese.«
»Sie nahm mich gefangen!«
»Aber sie wusste sich nicht anders zu helfen. Du musst umdenken, Emily.«
»Sie hat mir nicht geglaubt. Alle glauben mir nicht. Nur du, Glenda. Du hast mir sogar helfen wollen…«
»Und jetzt werde ich dir wieder helfen.« Glenda blieb stehen. Sie war nicht zu nahe an Emily herangegangen, weil sie nicht in das Licht hineingeraten wollte, das den Körper der jungen Frau umgab. Es war wie eine Aura. Sie strahlte vom Kopf bis zu den Füßen. Sie war da, sie war wunderbar, sie war so rein und klar, aber sie war auch gefährlich.
Auch musste sie bereits ihre Spuren bei Dr. Foster hinterlassen haben.
Sie lag nach wie vor über dem Schreibtisch und hielt noch immer die Hände vors Gesicht gedrückt. Sie wimmerte nicht mehr und flüsterte mehr. Was sie sagte, war für mich leider nicht zu verstehen.
Glenda streckte ihr die Hand entgegen. »Komm her, Emily. Komm einfach zu mir. Wir werden es schon schaffen. Ich passe auf dich auf. Du brauchst auch nicht mehr hierher zurück…«
Sie zögerte, während ich im Hintergrund wartete, was noch geschehen würde. Emily drehte den Kopf. Sie schaute sich um wie eine fremde Person, die soeben erst das Gebäude hier betreten hatte. Das starke Licht umgab sie nicht mehr. Ich hatte mittlerweile das Kreuz von der Brust weggenommen und in die Tasche gesteckt. Bestimmt war es der einzige Gegenstand, der Emily in Schach halten konnte.
Sie wollte ein Engel werden. Möglicherweise war sie auch auf dem Weg dazu, doch zum größten Teil sah sie noch aus wie ein Mensch. Das Engelhafte mochte in ihren Augen liegen, die jetzt mit diesem Licht gefüllt waren.
Mein Kreuz gab keine Wärme ab. Es verhielt sich neutral. Auch als Emily den Kopf leicht drehte, damit sie mich anschauen konnte. »Und was ist mit dir?«, fragte sie. »Bist du auch ein Feind? Willst du mich auch abhalten?«
»Nein, auf keinen Fall. Aber es ist besser, wenn du geschützt wirst. Da hat Glenda schon das Richtige gesagt.«
»Das will ich nicht. Nein, ich brauche keinen Schutz. Man soll und muss mich in Ruhe lassen. Wer es nicht tut, der muss mit meiner Rache rechnen. Ich tue keinem etwas. Ich mag die Menschen, obwohl sie immer gegen mich waren und mich nie akzeptierten. Aber sie sollen mich in Ruhe lassen und nicht mehr versuchen, mich einzufangen. Ich bin eben anders. Ich werde es immer sein.« Beim Sprechen war sie nicht länger stehen geblieben. Sie ging zurück, und die Ärztin war für Emily jetzt uninteressant geworden.
Glenda und ich standen außen vor. Wir wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten. Ich schaute auf Emily, die bereits den Rollstuhl des Blinden erreicht hatte und dem Mann über den Kopf strich.
Amos seufzte auf. »Ein Engel!«, rief er wieder. »Ein Engel ist gekommen.« Er hob seine Arme an und umfasste mit beiden Händen die fremde Hand. Er streichelte sie, er führte sie sogar gegen seine Lippen, um sie zu küssen.
Emily ließ ihn gewähren. Sie flüsterte mit ihm. Wir hörten das Wort Freund, und der Blinde begann zu lachen. »Du bist so schön, Emily. Ich kann dich sehen. Selbst ich, der ich tote Augen habe, weiß, wie du aussiehst. Es ist unwahrscheinlich, meine kleine Göttin. Ich bin so froh, so wahnsinnig froh.«
»Er liebt mich«, sagte Emily. »Er ist auch einer der Gebeutelten. Einer, den die Menschen nicht verstehen. Er sieht nicht, aber in Wirklichkeit sieht er mehr. Er kann auch in die Seelen der Menschen hineinschauen und spürt, wie böse sie sind. Ich werde ihn niemals vergessen. Ich werde wieder zurückkommen und mich um ihn kümmern. Nicht wahr, Amos, das tue ich für dich.«
»Ja, Emily, ja…«
Ich hatte sehr genau zugehört. Ihre Worte ließen darauf schließen, dass uns Emily verlassen wollte. Wenn sie einmal draußen war, hatte sie alle Chancen, zu verschwinden, sodass wir das Nachsehen hatten. Das konnte ich nicht zulassen, aber ich wusste auch, dass sich Emily nicht mit Gewalt zurückhalten ließ.
Auch Glenda war meiner Meinung. »Du wirst es nicht schaffen, Emily, glaub mir. Du kannst es nicht schaffen. In der Welt draußen sind zu viele Feinde. Du kannst dich nicht allein gegen alle stellen. Du brauchst
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