1171 - Emilys Engelszauber
nicht Emily bewegte sich zwar auf Dr. Foster zu, aber sie brauchte den Boden nicht zu berühren - und sie hatte sich auch verändert, obwohl es auf den ersten Blick nicht zu sehen war. Sie trug auch weiterhin die Anstaltskleidung, aber die Veränderung hatte in ihrem Innern stattgefunden. Es war kein direktes Leuchten oder Strahlen, das seine Verbreitung gefunden hatte, zumindest nicht mit dem vergleichbar, was von einer normalen Energiequelle abgegeben wurde. Dieses hier war anders. Es war heller und auch reiner.
»Emily?« Gillian Foster sprach den Namen der Patientin als Frage aus und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass sie so naiv gewesen war. Ein Befehlston hätte ihr besser gestanden.
»Ja, ich bin Emily.«
»Und du bist frei.«
»Auch das!«
Gillians Augen verengten sich. Sie wollte nicht mehr auf die Füße schauen, weil sie das irritierte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf das Gesicht und mit leiser und lauernder Stimme fragte sie: »Wer hat das getan?«
»Wie? Was?«
»Dich rausgelassen? Waren es die beiden Polizisten?«
»Nein«, erwiderte Emily mit weicher Stimme. »Sie haben damit nichts zu tun. Ich bin allein gegangen.«
»Kann ich mir vorstellen. Sie haben dir nur die Tür geöffnet, nicht wahr?«
»Auch das nicht. Ich nahm das Fenster. Es gibt für einen Engel wie mich keine Hindernisse. Ich bin anders als du. Ich bin kein richtiger Mensch mehr, verstehst du?«
Nein, die Ärztin verstand nicht. Obwohl ihr das Phänomen noch immer unerklärlich blieb, glaubte sie auch jetzt an ein Komplott der drei Personen. Zusammen mit Emily hatten die Polizisten sie reingelegt. Auf eine ganz perfide Weise war es ihnen gelungen, die junge Frau zu befreien.
Gillian Foster schüttelte den Kopf. »Nein, Emily, mit mir nicht. Nicht mit mir!«
»Wieso? Was meinst du?«
Sie war fast so nahe an die Ärztin herangekommen, dass Gillian sie berühren konnte. Das tat sie nicht. Aus ihr unerklärlichen Gründen trat sie zwei Schritte zurück. Erst dann gab sie ihre Antwort. »Ich werde dich wieder nach oben in die Zelle bringen. Und gegen die beiden Polizisten lege ich bei ihren Vorgesetzten eine Beschwerde ein. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Aber ich gehe nicht mehr zurück, Doktor. Ich bin frei. Ich war schon mal frei, nun bin ich es endgültig. Ein freier Engel, der seine Freiheit auch genießen will.«
»Kommt nicht in Frage, Emily. Ich werde dich persönlich…«
»Gar nichts wirst du!« Es war eine knallharte Antwort und sehr laut gesprochen, sodass Dr. Foster wie unter einem Schlag zusammenzuckte.
So hatte Gillian die Patientin noch nie sprechen gehört. »Ich lasse mich nicht mehr einsperren. Engel müssen frei sein. Sie müssen überall hinkommen. Ich war hier bei dir nicht richtig. Man hat mich einfach hier eingesperrt. Ich wollte es nicht, und ich habe es immer wieder gesagt. Aber niemand hörte auf mich. Man sperrt keine Engel ein. Man liebt sie. Und wer sie nicht liebt, der bekommt ihre andere Seite zu spüren. Auch du, Gillian.«
Dr. Foster war durcheinander. Bisher hatte sie stets eine Antwort parat gehabt. In diesem Fall nicht mehr. Das Auftauchen der Patientin hatte sie durcheinander gebracht, und sie wusste jetzt, dass sie es allein nicht schaffen konnte. Hilfe war nötig, starke Hilfe.
Von den beiden Männern, die als Pfleger arbeiteten. Wahrscheinlich hockten sie in ihrer Bude und schauten in die Glotze. Sie waren zum Nachtdienst eingeteilt, gingen zweimal ihre Runden, schauten in die Zellen hinein und konnten ansonsten schlafen.
Erst durch eine Alarmklingel würden sie geweckt werden. Sie befand sich unter dem Schreibtisch, zu dem die Ärztin erst hingehen musste.
Langsam bewegte sie sich zurück, und sie hob auch beide Hände an, wobei sie die Flächen nach außen drehte.
»Es ist schon gut, Emily. Wir werden uns nicht streiten, sondern uns vertragen. Du bist ein Engel, und ich muss das akzeptieren. Ist das in Ordnung?«
»Nein, das ist es nicht!«
»Wieso? Warum nicht?« Gillian ging weiter und wandte sich um.
»Was willst du noch?«
»Du lügst mich an!« flüsterte sie scharf. »Ich weiß genau, dass du lügst, Frau Doktor. Du stehst nicht auf meiner Seite. Du hast nie zu mir gehalten.« Während ihrer Worte hatte sich die Haltung verändert. Zwar stand sie noch immer recht steif auf dem Fleck, aber sie war größer geworden.
Eine optische Täuschung, denn Emily schwebte jetzt noch höher über dem Boden. Es war der Ärztin nicht aufgefallen, wie sie sich
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