1172 - Triumph der Kosmokratin
denn ich kann mein Wissen nicht anwenden!"
„Worin besteht dieses Wissen?" forschte Ellert. Er hörte ein Geräusch und zog automatisch den Handstrahler hervor. Der Sicherungshebel knackte, die Abstrahlmündung leuchtete auf. Chthon bewegte sich im abwärts gepolten Schwebefeld ein wenig zur Seite, bis er mit einem Teil seines Körpers in der Schachtwand verschwand.
Schließlich ragte nur noch sein Kopf heraus, und die weißen Pupillen strahlten Ellert an.
„Ich kann es auch nicht weitergeben", erwiderte der Schatten. „Auch darin besteht eine meiner Qualen!"
„Das verstehe, wer will", murrte Ellert. „Was ist so schlimm an diesem Wissen?"
„Es ist mit Entsetzen und Verderbnis verbunden", orakelte Chthon und arbeitete sich wieder aus der Schachtwand heraus. „Du wirst das nie begreifen!"
„Du vergißt eines, Schatten. Ich bin ein Wesen, das die meiste Zeit seiner Existenz in den Strömen der Zeit zugebracht hat. Ich habe die Geburt des Universums erlebt und bin beinahe seinem Untergang zum Opfer gefallen. Ich habe das Erblühen und Erlöschen von Galaxien und unzähligen Rassen beobachtet. Ich habe zeitweise in fremden Wesen gelebt und all die Tragik in mir aufgenommen, die die kosmische Genese seit ihrem Beginn in sich birgt. Ich habe getröstet und gefleht und habe vielleicht ein paar wenige Existenzen glücklich machen können, bevor sie ihr kurzes Leben aushauchten und ihr Bewußtsein in jenem unerschöpflichen Reservoir versickerte, das wir Menschen Jenseits nennen. Ich habe auf ein und demselben Planeten mehrere Völker kommen und gehen sehen, und mehr als einmal war mir der Kontakt mit Wesen aus anderen Universen vergönnt.
Viele werden sich an mich erinnern oder nicht mehr erinnern. Mir ist die Erinnerung geblieben, und glaube mir, die Existenz in der großen Bewußtseinsgemeinschaft von ES hat mir am wenigsten Umstellungsschwierigkeiten bereitet. Deshalb bin ich auch ausgesandt worden, um die Erde zu retten.
Jetzt bin ich hier und frage mich, ob es der Lohn für mich ist, daß ich den Untergang mit ansehen darf.
Glaubst du jetzt, daß das Entsetzen in deinem Wissen mir nichts ausmacht?"
Chthons Bewußtsein hatte während Ellerts Worte keine Regung von sich gegeben. Jetzt aber strömte es all die aufgestauten Gefühle aus, und der Schatten bewegte sich ungestüm. Diesmal trieb er auf Ellert zu und verschmolz fast ganz mit dessen Gestalt.
„Ich glaube es", verkündete er. „Dir glaube ich es. Und du bist der erste, der es begreifen wird, warum ich trotzdem schweige. Vielleicht haben wir Glück, Ernst, und ich kann meine Existenz doch noch retten und solange aufrechterhalten, wie es nötig ist."
„Wer bist du?" rief Ellert aus. „Wie heißt du wirklich?"
Chthon schüttelte stumm den Kopf, und da begriff Ellert den ersten, winzigen Teil der Wahrheit, die sich mit dem Schatten verknüpfte. Chthon besaß keinen Namen in dem Sinn, wie man sich eine Identität vorstellte. Er war ein gestaltloser Schatten ohne wirkliche Identität, mit einem behelfsmäßigen Namen, der nicht viel mehr als sein äußeres Erscheinungsbild symbolisierte.
Mitleid mit Chthon stieg in Ernst Ellert auf, doch er erhielt keine Zeit mehr, seine Gedanken weiterzudenken. Ein explosionsartiger Knall belehrte ihn, daß sie sich dem Gegner genähert hatten.
Am nächsten Ausstieg verließen sie den Antigravschacht und orientierten sich an den Wandbeschriftungen. Die von Robotern aufgetragenen Leuchtfarben stellten ein recht altmodisches Verfahren dar, aber es hatte bisher keine Veranlassung bestanden, etwas daran zu ändern. Ellert, der selten auf dem Mond gewesen war und sich in NATHANS eigentlichem Reich schon gar nicht auskannte, hatte Mühe, die Zusammenhänge aus den Schriftbildern herauszulesen und sich einen Überblick über die Zusammensetzung wenigstens dieser einen Etage zu machen.
„NATHAN!" sagte er über Funk. „Ist Kontakt möglich?"
Die Inpotronik gab keine Antwort, und Chthon projizierte ein wenig Logik in Ellerts Gehirn.
„Wenn er sich mit uns in Verbindung setzt, wissen die Kopfjäger sofort unseren Standort!" meinte der Schatten.
Ellert winkte ihm. Sie suchten ein Depot auf, in dem mehrere hundert Roboter eingemottet waren. Die zentrale Steueranlage war intakt, und er aktivierte sie mit einem einzigen Knopfdruck. Die Roboter erwachten zum Leben, und er gab ihnen augenblicklich eine Reihe wesentlicher Befehle ein.
Ausfindigmachen des Gegners und Einkreisen desselben.
Die Maschinen verließen das
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