1176 - Die Nichtwelt
an.
„Ich werde immer dort sein, wo du bist", flüsterte sie.
*
Als Ernst Ellert den Zeitturm Stein Nachtlichts verließ, sah er als erstes die SYZZEL. Das röhrenförmige Fahrzeug Taurecs schwebte aus dem klaren Himmel herab und flog über den ringförmigen Außensektor des HQ-Hanse.
Ellert ahnte, daß ein entscheidendes Ereignis unmittelbar bevorstand. Der Gleiter, mit dem er gekommen war, stand nicht mehr da. Ohne daran zu denken, daß er über Funk jederzeit einen anderen Gleiter herbeirufen konnte, spurtete der ehemalige Teletemporarier los.
Er hatte den Hanseaten-Platz erst zur Hälfte überquert, als sich ein strahlendes goldfarbenes Leuchten über die Erdoberfläche legte und alles in ihr Licht tauchte. Im ersten Schreck assoziierte Ellert das Leuchten mit dem Lichtausbruch, der die Durchgänge der Plagen durch die Perforationen des Grauen Korridors begleitet hatte.
Doch er fing sich sofort wieder. Der Unterschied war zu schwerwiegend. Zudem sah er, woher das goldene Licht kam.
Es wurde von den zahllosen Minierden und den Hunderttausenden von Zeittürmen ausgestrahlt.
Ernst Ellert blieb stehen.
Einerseits zog es ihn zum HQ-Hanse, weil er von Taurec und Vishna Neuigkeiten zu erfahren erwartete, andererseits verriet das goldfarbene Leuchten ihm die wichtigste Neuigkeit - und eine innere Stimme drängte ihn, etwas zu tun, um das bevorstehende Ereignis gebührend zu feiern.
Die innere Stimme siegte schließlich.
Ernst Ellert lief zum Tor des Gateway-Turms im Mittelpunkt des Hanseaten-Platzes. Die Torflügel standen halb offen, und ein Blick nach drinnen verriet Ellert, daß die Schaltanlage mit Energie versorgt wurde. Er blieb vor dem Tor stehen und wartete erregt darauf, daß das geschah, was er sich so lange ersehnt hatte.
Nach wenigen Minuten nahm das Leuchten der Minierden zu. Sie begannen zuerst schwach, dann immer stärker zu pulsieren. Ellert schauderte, als sein Geist im Takt des Pulsierens mit Visionsfetzen überschwemmt wurde. Er ahnte, wie sie entstanden. Die Pulsationen waren nur optische Nebeneffekte eines tiefgreifenden Verwandlungsprozesses, der in den Virotron-Chips ablief. Die in Form von Sextadim-Komponenten gespeicherte überschüssige Materie der potentialverdichteten und auf Virengröße geschrumpften Sturmreiter wurde in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt und emittierte dabei Sextadim-Schocks, an die Erinnerungsfragmente und Zukunftsvisionen gebunden waren.
Dieser Vorgang war überwältigend in seiner Größe und Ungeheuerlichkeit und rief in Ellert ein Gefühl der Nichtigkeit und Verlorenheit hervor, das jedoch schwand, als er sich an den Anblick der gefrorenen Urexplosion erinnerte und des Geheimnisses, das sich dahinter verbarg. Dagegen war sogar das, was augenblicklich auf Terra geschah, absolut bedeutungslos.
Seufzend richtete Ernst Ellert sich aus der geduckten Haltung auf, die er unwillkürlich eingenommen hatte. Er fühlte sich freier und selbstbewußter als je zuvor. Mit unbewegtem Gesicht ließ er die Visionen kommen und gehen.
Als sie schlagartig abbrachen und die Minierden zusehends schrumpften und ihr goldenes Leuchten verloren, wandte Ellert sich um, trat einen Schritt in den Gateway-Turm hinein und aktivierte das Glockenspiel.
Als er wieder ins Freie trat, hatte sich die Szenerie grundlegend geändert. Die Minierden waren bis auf wenige Ausnahmen auf Faustgröße geschrumpft und leuchteten nicht mehr.
Unter dem Klingen und Dröhnen des Glockenspiels materialisierten überall, soweit Ellerts Blick reichte, winzige Gebilde auf dem Platz und den Straßen. Sie wuchsen, noch während sie entstanden, und bevor die letzten Töne des Glockenspiels verhallten, waren Straßen und Plätze mit ganz normal aussehenden Menschen bevölkert.
Ernst Ellert aber stürmte wie von Sinnen los. Er wußte noch genau, wo Reginald Bull und die anderen führenden Hanse-Sprecher gestanden hatten, bevor sie in ihren Virochips verschwunden waren. Dennoch fand er sich in der Menschenmenge mit einemmal nicht zurecht. Verwunderte Blicke streiften ihn, Bemerkungen wurden ausgerufen, aber ansonsten reagierten die Menschen auf die Wiederherstellung ihres einstigen Zustands ziemlich gelassen.
Endlich sah Ellert Reginald Bull. Rhodans Stellvertreter ging gerade auf Julian Tifflor zu, und die beiden Männer schüttelten sich die Hände.
Weinend und lachend gesellte Ellert sich zu ihnen, umarmte sie und suchte vergeblich nach Worten.
Bull und Tifflor umarmten ihn ebenfalls,
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