1177 - Der Weg in die Unterwelt
um einen Termin bitten müssen, doch Sir James war jemand, der seine Beziehungen überallhin pflegte und vor allen Dingen Menschen kannte, die in wichtigen Positionen und an den entsprechenden Schaltstellen saßen.
Das Institut lag in der Innenstadt. Ein schmales Haus aus der Gründerzeit, eingeklemmt zwischen zwei wuchtigen Gebäuden, in denen sich Privatbanken befanden.
Wir waren angemeldet. Uns wurde geöffnet, und nachdem wir das Treppenhaus betreten hatten, empfing uns eine ältere Frau, die freundlich lächelte.
Sie brachte uns zu Professor Jameson, der in seinem Büro saß. Der Mann sah nicht aus wie ein düsterer Hypnotiseur. Er gehörte zur jüngeren Generation, war leger gekleidet und lächelte so warmherzig, dass wir ihm sofort Vertrauen entgegenbrachten und auch Melody die Scheu genommen wurde.
In der Sache allerdings war er knallhart. Da erklärte er uns, dass er mit der jungen Patientin allein bleiben wolle, und er ließ sich auch nicht davon abbringen.
Nachdem wir ihm noch einige Erklärungen abgegeben hatten, konnten wir in einem Nebenzimmer warten, in dem alte Stühle und Tische standen, auf denen Illustrierte lagen. Wir waren die einzigen Besucher. Wir nahmen Platz und hofften, dass der Professor einen entsprechenden Erfolg erzielte.
Er wusste, worum es ging und hatte uns versprochen, die Antworten auf Band aufzunehmen. Es ging um lebende Skelette, da hatten wir ihn schon eingeweiht. Jameson hatte mit keiner Wimper gezuckt und alles so hingenommen, als wären diese Dinge für ihn völlig normale Tatsachen.
Er war eben einiges an menschlichen Reaktionen und auch seelischen Abgründen gewohnt.
Bill telefonierte mit Sheila, die natürlich auch eingeweiht war und sich über den Fortlauf der Geschichte überrascht zeigte. Sie sprach so laut, dass ich ihre Antworten hören konnte, da ich neben meinem Freund Bill saß.
»Dann werde ich dich wohl in den nächsten Stunden nicht zu Gesicht bekommen - oder?«
»Wir werden wohl auch die Nacht über wegbleiben.«
»Das hatte ich mir fast gedacht.«
Ich saß grinsend daneben und hörte Sheilas Stimme. »Hör auf zu lachen, John!«
»Kannst du mich sehen?«
»Nein, aber ich kenne dich.«
Bill sprach wieder und wurde ernst. »Es ist wirklich so, Sheila, dass wir uns um Melody und ihre Mutter kümmern müssen.«
»Klar, das verstehe ich. Und gebt bitte auf die Kleine Acht.«
»Darauf kannst du dich verlassen.« Bill räusperte sich. »Bis später dann.«
»Ich liebe dich, Bill.«
»Ich dich auch.«
Bill lächelte. Er war etwas rot im Gesicht geworden, dann steckte er sein Handy wieder weg und kam zum Thema. »Ich weiß noch immer nicht, was ich davon halten soll, wenn ich ehrlich bin. Als Mrs. Ross mit mir sprach, war ich mir meiner Sache noch so verdammt sicher. Jetzt aber habe ich Zweifel.«
»An den Aussagen?«
»Genau daran.« Er zuckte die Achseln. »Sind diese Träume eine Folge der Pubertät oder nicht?«
»Sorry, aber darauf kann ich dir keine Antwort geben. Sie könnten es sein. Müssen es aber nicht. Dafür steht das Verschwinden der Mutter. Das ist unser Problem.«
»Ja, genau.«
Es brachte nicht viel, wenn wir versuchten, Argumente auszutauschen. Es wären letztendlich nur Spekulationen gewesen, und damit lebte ich nicht gern. Mir waren handfeste Fakten lieber.
Natürlich schleicht die Zeit dahin, wenn man wartet. Das war auch bei uns der Fall. Hinzu kam die Stille des Raumes. Es tickte keine Uhr, wir hörten keine Stimmen.
Draußen schien die warme Septembersonne. Kleine weiße Wolken segelten über einen azurblauen Himmel. Bei diesem Wetter dachte man wirklich an alles, nur nicht an Arbeit.
Es war mehr als eine halbe Stunde vergangen, als es kurz an die Tür klopfte. Sekunden danach stand die Sekretärin des Professors vor uns und nickte uns zu.
»Sie können jetzt mit dem Professor sprechen, Gentlemen.«
»Danke, das ist nett.«
Wir standen beide auf. Die Frau führte uns zuerst durch ihr Vorzimmer und dann in das Büro des Wissenschaftlers. Dort stand eine weitere Tür offen, die schallgepolstert war. In einem etwas kleineren Raum sahen wir eine Couch, zwei Sessel, einen Tisch und auch einen weiteren Schreibtisch.
Auf der Couch saß unser junger Schützling und trank Limonade aus einer Dose.
Es schien ihr gut zu gehen. Dennoch konnte ich mir die folgende Frage nicht verkneifen. »Ist alles in Ordnung mit ihr, Professor?«
»Ja, ich habe keine Bedenken.«
»Das ist gut.«
»Hat sie denn geredet?«, wollte Bill
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