1178 - Lisas Totenruf
auch das Kleidungsstück, das Lisa zuletzt getragen hatte«, erklärte Sofia.
»Sehr auffällig.«
»Ja, aber es steht ihr gut.«
»Darf ich das Foto behalten?«
»Sicher.«
Ich steckte es ein und fragte dabei: »Meinen Sie oder rechnen Sie damit, dass sich Lisa noch immer auf ihrem Lieblingsfriedhof aufhält? Oder könnte sie auch weggelaufen sein?«
»Das denke ich nicht.«
»Dann hätten Sie Lisa finden müssen, da Sie den Friedhof schon durchsucht haben.«
»Vielleicht wollte sie nicht, dass wir sie finden«, erklärte Sofia gedankenverloren.
»Warum denn nicht?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber ich befürchte, dass sie anderen Mächten zum Opfer gefallen ist, die stärker sind als wir.«
»Sagt Ihnen das das Orakel?«
»Ja.«
»Und was haben Sie in dieser Eigenschaft sonst noch alles gesehen, Sofia?«
»Wenig«, flüsterte sie. »Leider zu wenig. Doch ich mache mir große Sorgen.«
»Auch wegen des Friedhofs - oder?«
Ich hatte die Frage ins Blaue gestellt und war verwundert, dass mir Sofia zustimmte, indem sie sagte: »Glauben Sie denn, dass alles tot ist, was auf einem Friedhof liegt?«
Bei mir machte es »klick«. Allmählich kam sie zum eigentlichen Thema oder auf die richtigen Probleme zu sprechen. »Ich habe in mich hineingehorcht. Ich habe nichts gesehen, aber ich habe in den Stunden der Wahrheit, die ich erleben durfte, bemerkt, dass auf diesem Friedhof nicht alles stimmt.«
»Zum Beispiel?«
»Es kann dort etwas geben, vor dem wir Menschen einfach Angst haben müssen. Ich befürchte, dass Lisa in diesen Kreislauf hineingeraten ist. Deshalb schauen Sie sich den Friedhof an. Sie sind besser als wir. Sie haben Erfahrungen.«
»Okay, werde ich tun.«
»Danke. Und wann?«
»Heute noch.«
Ihre Augen strahlten.. »Ja, Mr. Sinclair, tun Sie das. Tun Sie mir, Lisa und möglicherweise sich selbst auch den Gefallen, denn Sie sind derjenige, der die Dämonen und Geister jagt.« Sie ballte beide Hände zu Fäusten und sagte etwas, das dieser Geste genau entgegenstand. »Ich habe Angst.«
»Wovor?«
»Vor dem, was wir Menschen nicht beeinflussen können…«
Da konnte ich sie verstehen, sagte aber nichts dazu und machte mich auf den Rückweg.
***
Das Café nannte sich PIANO PARADISO und lag am Rande einer Shopping-Zeile, in der vor allen Dingen Möbel-Designer ihre Werke ausstellten, die auch für teures Geld gekauft werden konnten.
Das Café gehörte zu den bistroähnlichen Lokalen, die sich um Kunden keine Sorgen zu machen brauchten. Man saß dort gut, man trank ebenfalls ausgezeichnet, und um die ziemlich hohen Preise kümmerte sich niemand der Gäste, das gehörte einfach dazu. Man hatte es ja.
Wer das Café betrat, der erlebte einen lang gestreckten Raum mit zahlreichen Tischen, die ebenfalls in lang gestreckten Reihen standen. Dazwischen gab es kleine Lücken, durch die sich das Personal schieben konnte, zumeist junge Leute, die freundlich waren und auch sehr schnell bedienten.
Es gab Stammgäste, aber auch Laufkundschaft. Ein Mittelding zwischen Stammgast und Laufkundschaft war Mario Serrano. Der Killer mit dem knochigen Gesicht und der eckigen Haarfrisur hatte sich an einen der runden Bistrotische gesetzt, an denen nur zwei Personen Platz hatten. Er saß auf einem Hocker, der zweite war leer, aber er würde noch besetzt werden, denn Mario Serrano war hier mit Cesare Curzi verabredet.
Privat trafen sich die beiden kaum. Nur wenn ein Job zu erledigen war, verabredeten sie sich. Das war an diesem frühen Nachmittag nicht der Fall. Das Date war privat, aber es ging beide an. Serrano hoffte, dass Curzi pünktlich war. Er hatte ihm auch eingebläut, auf jeden Fall allein zu kommen, denn die Sache ging nur sie beide etwas an. Serrano hatte sich einen Martini und einen Kaffee bestellt. Er wusste, dass sein Kumpan nicht eben ein Muster an Pünktlichkeit war. Verlassen konnte man sich nur darauf, wenn es um einen Job ging, und das hatte Mario ihm auch gesagt, obwohl es nicht stimmte.
Deshalb war Curzi auch pünktlich.
Schon am Eingang fiel er auf. Er war zwar klein, dafür aber ziemlich breit, und er war auch der einzige Gast, auf dessen Kopf eine Wollmütze saß.
Er ging stur geradeaus. Dass er hin und wieder Menschen zur Seite stieß, störte ihn nicht. Mario hatte ihm beschrieben, wo Curzi ihn finden konnte.
»Salute!« Curzi klatschte gegen Marios Hand.
»Hi.«
Cesare rutschte auf den Hocker. Er bestellte sich ein Glas Rotwein und grinste von Ohr zu Ohr. In seinem breiten Gesicht
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