1181 - Baphomets Blutgeld
Ort.
Joel wollte bei Leon bleiben. Das hatte er ihm zu verstehen gegeben. Und Leon fühlte sich auch nicht in der Lage, ihn wieder wegzuschicken.
Aber wohin mit ihm?
In das alte Gebäude, das vor ihnen lag. Früher einmal hatte es als Jugendherberge gedient. Die war geschlossen worden, weil erst noch renoviert werden musste. Geschehen war nichts in dieser Richtung, wahrscheinlich fehlten die Mittel.
Aber sie eignete sich wunderbar als Versteck, und Leon kannte sich dort aus. Auf seinen einsamen Spaziergängen war er schon einige Male in den leeren Bau hineingegangen, der nicht nur groß, sondern auch düster war und voller Geheimnisse zu stecken schien. Jedenfalls konnte sich ein Mensch wie Leon das vorstellen, denn seine Fantasie schlug oft genug Purzelbäume.
»Geht es wieder?«, fragte Joel.
»Ja, ist okay.« Leon richtete sich auf. Er drehte den Kopf nach rechts und sah das besorgte Gesicht seines neuen Freundes. Wieder fiel ihm die Ähnlichkeit mit sich selbst auf. Sie konnten wirklich Brüder sein, fast schon Zwillinge.
Leon lächelte. »Das ist das Haus.«
»Ich weiß.«
»Gefällt es dir?«
»Kann man denn Ansprüche stellen?«
»Weiß nicht.«
»Aber du wohnst nicht hier?«, fragte der Junge aus der Vergangenheit.
»Nein.«
»Wo dann?«
»In einem Dorf. Nicht weit von hier.«
»Auch in einem Haus?«
»Ja, wieso?«
»Ich kenne Menschen, die es nicht so gut haben. Warum gehen wir nicht in dein Haus?«
Leon schüttelte den Kopf. »Gute Frage, aber man würde es nicht begreifen können. Weißt du, wie soll ich meiner Mutter erklären, wer du bist? Ich könnte ihr sagen, dass du ein Freund bist, aber sie würde Fragen stellen, denn du siehst wirklich nicht so aus, Joel, als würdest du in unsere Zeit gehören. Nimm es mir nicht übel, aber du siehst fremd aus. Sehr fremd für uns, obwohl ich dich mag. Wir müssen uns hier verstecken.«
Joel nickte. Er hatte begriffen. Aber er stellte auch eine Frage. »Müssen wir lange hier bleiben?«
»Keine Ahnung. Mal sehen wie es läuft. Ich werde uns zwischendurch etwas zu essen holen. Meine Mutter wird zwar Fragen stellen, aber damit komme ich schon zurecht.«
»Es ist deine Zeit, Leon.«
»Stimmt.« Dann musste er lachen. »Das kommt mir noch alles wie ein Märchen vor. Möchtest du denn nicht wieder zurück in deine Zeit, Joel?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Wie ist das alles überhaupt möglich gewesen? Ich stehe noch immer vor einem Rätsel.«
Rätselhaft war auch die Antwort, die Leon erhielt. »Manchmal ist es besser, wenn man nicht zu viel weiß und sich mit allem abfindet. Man kann dem Schicksal nicht entrinnen.«
»Du auch nicht?«
»Nein, ich auch nicht.« Joel schaute zur Seite. Für Leon ein Zeichen, dass er nichts mehr sagen wollte. Das musste er akzeptieren.
»Dann wollen wir mal reingehen«, sagte Leon.
Die Tür lag an der westlichen Schmalseite des Hauses. Inzwischen hatte sich die Sonne verabschiedet. Es war zwar noch hell, aber in das Licht hatten sich die ersten Streifen der beginnenden Dämmerung hineingeschoben. Hinzu kam der große Schatten, den das Haus warf und durch den sie gingen. Die alte Fassade roch feucht, und diese Feuchtigkeit war auch bestimmt nach innen gedrungen, sodass ein längerer Aufenthalt schon gesundheitsgefährdend war.
Über dem Eingang war eine Bogenlampe zu sehen. Sie glotzte wie ein totes Auge nach unten. Leon wusste nicht, ob der Strom mittlerweile gesperrt war. Bei seinem letzten Besuch war das nicht der Fall gewesen.
Die Tür war zu. Aber sie war nicht abgeschlossen, das wusste er genau. Er lächelte, als er daran dachte, dass er sie geöffnet hatte. Das hatte ihn einiges an Arbeit gekostet. Er hatte mit dem selbst hergestellten Dietrich so lange gedreht, bis das alte Schloss aufgeschnappt war.
Er bewegte die Klinke, die wie immer quietschte und sich nur schwer drücken ließ. Endlich konnte er die Tür aufziehen. Auch die Angeln gaben eine seltsame Musik ab, auf die der Begriff atonal perfekt passte.
»Bleib du mal hinter mir, Joel.«
»Ja, du kennst dich hier aus.«
Leon ging hinein. Er kannte sich aus. Hier unten befand sich ein Empfangsbereich. Er war groß genug, um zwei Schulklassen aufnehmen zu können. Da würden sich die Schüler kaum gegeneinander behindern. Es gab an den Seiten Fenster, die das Tageslicht durchließen, das auf einen grauen Betonboden fiel. Nicht weit entfernt und in der Mitte zwischen zwei Treppenaufgängen befand sich das Büro des Herbergsvaters und
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