1183 - Visionen der Hölle
gezogen. Seinen Stab hatte er nicht eingesetzt. Vielleicht hätte er es tun können, so wäre es nicht zu diesem Toten gekommen, aber hinterher ist man immer schlauer.
Für uns war Doria wichtiger. Oder Dorian. Eine völlig neue Person. Eine Gestalt, die von den Mächten der Hölle unterstützt worden war, und die jetzt durch Handschellen gefesselt war. Im Moment erinnerte sie in ihrem Aussehen an einen, normalen Menschen. Nur ließen wir uns davon nicht täuschen.
Noch immer war sie halb Mann und halb Frau. Wir wussten nicht, ob sich unter der Kleidung auch etwas verändert hatte, und wir wollten auch nicht nachschauen.
»Nicht immer gewinnt die Hölle!«, sagte ich ihr.
Sie lächelte. »Du irrst dich. Luzifer ist der Stärkste. Du hast nicht die Spur einer Chance. Ich bin neu. Ich bin die neue Kreatur. Meine Visionen sind zur Wahrheit geworden. Er hat sie mir immer geschickt. Durch die Spiegel nahmen wir Kontakt auf, und heute bin ich reif geworden.« Sie fing an zu lachen. Bevor wir uns versahen; schnellte sie mit einem heftigen Ruck aus dem Sessel hoch - und sie breitete ihre Arme hinter dem Rücken aus, obwohl sie gefesselt waren.
Das dachten wir. In Wirklichkeit waren sie es nicht. Lachend zeigte sie uns die freien Hände, und an ihren Fingern hing sogar noch die Handschelle. Einmal kurz gedreht, dann wurde sie weggeschleudert. Mit einem Klirren landete sie an der Wand.
»Wer ist besser? Ich oder ihr?«
»Es wird sich herausstellen.«
»Nein, ich bin besser!«
Sie war von sich überzeugt. Ihre Stimme schwankte zwischen einer hellen und dunklen Tonlage. Ich konzentrierte mich auf ihr Gesicht, das wieder diese beiden Geschlechter zeigte. Mal Mann, dann Frau. Es bewegte sich auf ihrer Haut. Mal sah sie so, mal sah sie anders aus. Mal Monster, mal Mensch, wobei ich diesen Begriff Monster nur im übertragenen Sinne meine.
»Ich werde diejenigen, die sich gegen mich stellen, vernichten. Niemand kann eine Buhlschaft der Hölle aufhalten. Ich bin das Neue. Ich bin Mann, ich bin Frau. Ich werde Kinder bekommen, und ich werde welche machen…«
Scharf lachte sie abermals auf, dann riss sie ihren Mantel oder Umhang auseinander und schleuderte ihn weg.
Wir sahen sie ganz nackt.
Und wir sahen, dass sie tatsächlich in der unteren Körperhälfte zu einem Mann geworden war. Sie musste die Überraschung in den Augen gesehen haben, ballte die rechte Hand zur Faust und schrie:
»Das sind seine Kinder. Das sind seine Menschen! Das sind die Neuen! Das ist die neue Schöpfung!«
Für mich und sicherlich auch für Suko waren die Worte wie ein Fluch. Was Luzifer vorhatte und durch Doria auch geschafft hatte, das stellte die normale Schöpfung auf den Kopf. Das durfte nicht sein. Wir mussten alles tun, dass so etwas nicht durchkam. Es wäre fatal gewesen, wenn es zwei verschiedene Arten von Menschen gegeben hätte.
Auf der einen Seite die Geschöpfe des Allmächtigen, auf der anderen die der Hölle.
Die Person hatte wohl gesehen, dass ich bleich geworden war und wie es in meinem Innern aussah.
Sie freute sich diebisch. Das Lächeln empfand ich als widerlich. Sie rieb sogar ihre Hände, die, das sah ich erst jetzt, unterschiedlich waren. Die linke Hand sah aus wie die einer Frau, die rechte ähnelte der eines Mannes. Ich hatte das Gefühl, Nägel im Magen zu spüren. Ich wollte nicht, dass noch mehr dieser Prototypen entstanden.
Ihre Stimme riss mich wieder aus meinen Gedanken. »Nein, Sinclair, nein! Du kannst sagen, was du willst, du hältst uns nicht auf. Ich bin der Anfang. Ich werde genügend andere finden, die mit mir so intim zusammen sein werden, dass sie…«
»Du wirst es nicht!«, schrie ich sie an. »Niemand stellt die Schöpfung auf den Kopf. Auch Luzifer nicht!«
»Bist du sicher?« Wie sie ihre Worte ausgesprochen und gedehnt hatte, hinterließ bei mir einen Schauer. Sie vertraute auf Luzifer, und sie war sich sicher. Etwas von ihm steckte in ihr, da brauchte ich nur den Blick in ihre Augen zu werfen.
Ich kannte das Blau. Ich kannte die Kälte. Ich spürte den inneren Schauer, den verfluchten Ansturm des Bösen, unter dem Menschen zusammenbrechen und elend vergehen konnten. Ich erinnerte mich an meine letzte Begegnung mit dem absoluten Herrscher des Bösen und dachte daran, dass mir mein Kreuz so wenig geholfen hatte. Aber hier stand, nicht Luzifer vor mir, sondern sein Geschöpf. Darauf setzte ich die Hoffnung. Es konnte einfach nicht so stark sein wie er.
Sie fühlte sich siegessicher. In ihrer
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