1185 - Im Schloss der Skelette
sein.
An diesem Nachmittag fühlte sie überhaupt nichts, was in diese Richtung wies.
Es ging einfach nur um ihre Unruhe!
Sie hatte sich im Innern festgesetzt. Wenn sie die klare Luft einatmete, dann hatte sie das Gefühl, die Lunge nicht richtig füllen zu können.
Vorsichtiger als sonst öffnete sie die Tür. Der erste Blick nach draußen. Sie sah nichts Ungewöhnliches. Der Wald um sie herum schwieg. Links gab es eine natürliche Schneise, die vom Orkan im letzten Jahr noch verbreitert worden war. Durch sie konnte Claudine in das kleine Tal mit dem malerischen Ort hineinschauen, in dem sie auch bekannt war, weil sie da öfter einkaufte.
Malerisch und romantisch kam ihr in dieser Gegend nichts mehr vor. Die Füße verschwanden im hohen Gras, und sehr sanft drückte Claudine die Tür hinter sich zu.
Oft kamen die Hunde angelaufen, wenn sie den Wagen verließ. Dann hatten Stan und Ollie irgendwo am nahen Waldrand gewartet und freuten sich, sie begrüßen zu können.
An diesem Tag kamen sie nicht.
Claudine Gatz stand in der Stille. Es dauerte seine Zeit, bis sie sich an die doch vorhandenen Geräusche gewöhnt hatte. An das leichte Rauschen oder Raunen der Blätter, die vom Wind bewegt wurden und leise gegeneinander raschelten.
Manche Blätter segelten auch durch die Luft wie kleine Boote, die der Wind wie Wellen erfasst hatte.
Auch hatte er Laub in die Nähe des Wohnmobils geweht und an der Breitseite einen Haufen aufgetürmt.
Kein Hund zu sehen.
Claudine ging ein paar Schritte nach vorn und der Mitte der Lichtung entgegen. Sie blieb stehen, drehte den Kopf und rief mit lauter Stimme die Namen der Hunde.
»Stan…?«
Keine Reaktion!
»Ollie?«
Wieder nichts. Abgesehen von einem leichten Rascheln der Blätter an den Bäumen.
Das ungute Gefühl in ihr verstärkte sich. So etwas hatte sie nie zuvor erlebt. Die beiden waren immer sofort zu ihr gerannt, wenn sie ihre Stimme hörten, aber in diesem Fall schienen sie sich in Luft aufgelöst zu haben.
Da stimmte etwas nicht!
Claudine presste die Lippen zusammen. Sie war alles andere als eine ängstliche Person, doch jetzt musste sie die Welt einfach mit anderen Augen sehen. Sie sah noch immer so aus wie sonst, aber Claudine hatte das Gefühl, als würde sich dahinter etwas verbergen, das sie nicht sah und sich auch nicht erklären konnte.
Sie merkte, wie die Kälte in ihr hochkroch und auch ihr Herz umklammerte.
Noch einmal rief sie die Namen ihrer Hunde.
Wieder blieb sie allein.
Sie schluckte und überlegte. Sie musste nach den Tieren suchen.
Richtig angezogen war sie. Sie kannte auch die Wege, die die Hunde gern nahmen, und die wollte sie abgehen.
Claudine Gatz kam nicht mal bis zum Waldrand. Noch einige Meter davor blieb sie stehen und hielt den Atem an.
Ein ihr bekanntes Geräusch hatte sie erreicht. Es war ein Jaulen gewesen. So klagend, als hätte ein Mensch große Probleme.
Einer der Hunde!
Der Gedanke war kaum vorbei, als sie sah, dass sich am Waldrand etwas bewegte.
Ein Tier kam. Es bahnte sich seinen Weg durch das Unterholz. Claudine hörte das Rascheln des Laubs und auch das Knacken irgendwelcher alter Zweige.
Und dann sah sie Stan!
Ja, er war es, aber sein Gang ließ sie das Schlimmste befürchten. Stan bewegte sich zwar auf allen vier Pfoten, aber er ging humpelnd und schleifte den rechten Hinterlauf nach.
Für Claudine gab es kein Halten mehr. Der Name des Hundes löste sich als Schrei aus ihrem Mund, als sie auf das Tier zurannte.
Stan blieb stehen. Er hob den Kopf an. Er öffnete seine Schnauze und jaulte erbärmlich. Klagende Schreie, die sich anhörten wie Trauer, drangen aus seiner Kehle.
Claudine wusste sofort, dass ihm etwas passiert war, aber auch Ollie, der nicht gekommen war. Vor Stan sank sie auf die Knie ins Gras. Sie umfasste ihren Hund mit beiden Armen und ließ die Hände über und durch das Fell wandern, auch bis zur rechten Flanke des Tieres hin.
Da spürte sie die Nässe zwischen den Fingern. Das war kein Wasser, denn Wasser klebte nicht so stark.
Es war Blut!
Sein Blut!
Claudines Angst nahm zu. Sie drückte das Tier zurück und drehte es dabei zur Seite, weil sie sich die Wunde genauer anschauen wollte. Stan konnte irgendwo hängen geblieben sein. Auch ein anderes Tier hätte ihn gebissen haben können, aber nichts von dem stimmte. Die Wunde war aus einem anderen Grund entstanden.
Über dem Hinterlauf und an der Flanke war alles nass. Auch die Wunde zeichnete sich dort ab, und sie zeigte wirklich keine
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