1185 - Im Schloss der Skelette
Bissstellen anderer Zähne. Sie war von einem Gegenstand hinterlassen worden.
»Ganz ruhig, Stan, ganz ruhig.« Immer wieder sprach sie auf das zitternde Tier ein und konnte nun feststellen, dass die Wunde von einem Messer oder einem ähnlichen Gegenstand stammen musste, der zuerst das Fell und danach das Fleisch aufgerissen hatte.
Stan war angegriffen worden. Aber von wem? Wer trieb sich in den Wäldern herum und versuchte, einen Hund zu töten? Denn als nichts anderes sah sie die Wunde an.
Der Magen zog sich zusammen. Ein kalter Schauer rann ihren Rücken hinab, und sie dachte daran, dass es noch einen zweiten Hund gab. Aber der hatte sich nicht gezeigt, was sie wiederum beunruhigte. Er musste sich irgendwo im Wald versteckt halten.
Auch verletzt?
Claudine schloss nichts mehr aus. Sie stand auf. Leider konnte ihr Stan keine Antwort geben. Er hätte sie vielleicht zu seinem Bruder hinführen können, aber Claudine wollte ihm das nicht zumuten.
Sie würde allein gehen.
Die Regeln waren klar. Wenn die Hunde draußen waren, blieben sie stets zusammen. Das hatte sich bestimmt nicht geändert. Ich muss also den Weg zurückgehen, den Stan genommen hat, dachte Claudine. Zumindest die Richtung einschlagen. Da kann es dann möglich sein, dass ich auf Ollie stoße.
Wie sie ihn unter Umständen vorfinden würde, darüber wollte sich Claudine keine Gedanken machen.
Stan hatte sich in das Gras gesetzt. Er war erschöpft. Claudine sprach leise auf ihn ein. Sie war davon überzeugt, dass er sie verstehen würde.
»Du musst jetzt hier sitzen bleiben, Ich komme wieder. Ich suche nur Ollie.«
Sie schauten sich an.
Claudine war zum Heulen zu Mute, als sie die traurigen Augen des Vierbeiners sah. Nur mühsam riss sie sich zusammen, stand auf und ging langsam weg.
Ich darf jetzt nicht die Nerven verlieren!, hämmerte sie sich ein. Ich muss jetzt cool bleiben. Alles andere hat keinen Sinn.
Der Hund hatte eine Spur hinterlassen. Sie sah die Blutflecke im Gras und folgte ihnen durch das Unterholz in den Wald hinein. Es war hell genug, um sich auch ohne künstliches Licht orientieren zu können. Viel Laub lag auf dem Boden, das sie mit ihren Füßen in die Höhe wirbelte. Durch das schon fast leer gewordene Geäst der Bäume sickerte das Licht bis auf den Boden.
Immer wieder rief sie den Namen des Hundes. Und sie erhielt keine Antwort.
Claudines Herz schlug noch heftiger. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Ihr Blick irrte umher. Sie sah viel und doch nichts. Der Wald war einfach zu dicht und das Tageslicht nicht eben blendend.
Auf dem unebenen Boden musste sie darauf Acht geben, nicht zu stolpern. Es gab kleine Hügel, es gab auch Senken, und in eine trat Claudine hinein.
Sie hatte sie nicht gesehen. Zu viel Laub lag dort, und einen Moment später entdeckte sie den Hund.
Ja, es war Ollie!
Ein toter Schäferhund.
Jemand hatte seinen Körper in zwei Hälften geteilt!
***
Der Abbé schwitzte!
Ich störte ihn nicht, denn er war tief in seiner Trance versunken. Er und der Würfel bildeten jetzt so etwas wie eine Einheit, die auch optisch dokumentiert war, denn innerhalb des Würfels war eine Veränderung aufgetreten.
Dort malten sich helle Schlieren ab, die sich bewegten. Sie trieben durch den Würfel wie träge, dicke Algen in einem See. Aber sie waren mehr als das, viel mehr, denn man konnte sie als die Informationsträger bezeichnen, die dem Besitzer des Würfels die entsprechenden Bilder schickten.
Der Abbé musste sie empfangen haben, sonst sähe er nicht so mitgenommen aus.
Er schaute nur nach unten. Er atmete flach, und auch die Wirtin hatte wohl bemerkt, dass sie uns nicht stören durfte. Sie hielt sich zurück und erkundigte sich nicht nach einer neuen Bestellung.
Ich folgte den Bewegungen der helleren Schlieren, die sich mit peitschenartigen Schlägen voranbewegten. Das Bild war mir nicht neu. Hätte ich den Würfel umfasst, hätte ich auch das sehen können, was er mir zeigte.
So sah nur der Abbé.
Ich hielt den Mund und stellte keine Fragen, um ihn nicht aus seiner Konzentration zu reißen.
Manchmal zuckten seine Lippen, dann dachte ich, er würde mir etwas sagen, doch er hielt sich mit einem Kommentar zurück.
Bis ein langer und seufzender Atemzug aus seinem Mund drang und über den Würfel hinwegwehte.
Ich gab dem Abbé zunächst die Chance, sich zu erholen. Das hatte er nötig. Er drückte sich zurück und presste seinen Rücken gegen die Lehne.
Dabei schwieg er.
Seine Bewegungen waren langsam. Er
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