1185 - Im Schloss der Skelette
leben.«
»Normalerweise nicht«, erwiderte ich und zog mich von ihr zurück.
Claudine bemerkte es erst, als ich bereits nahe an der Tür stand. »He, wo wollen Sie hin?«
»Etwas mit dem Skelett plaudern.«
»Aber…«
»Kein Aber, Claudine. Ich will nicht, dass es zu uns kommt und mit seinem Schwert den Wohnwagen angreift.«
Sie schwieg. Ich öffnete die Tür und schaute noch mal zu Claudine. Sie stand auch weiterhin vor dem Fenster, aber sie hatte sich etwas von der Scheibe zurückgezogen.
Ich lächelte ihr noch zu, dann verließ ich das Fahrzeug.
Es war recht spät geworden. Und es würde eigentlich bald dunkeln. Ich musste die letzte gute Sicht des Tages nutzen, inklusive der nebel- und dunstfreien Zeit, denn noch flossen die grauen Schleier nicht hier über die Lichtung. Sie lagen in den Tälern und würden sich erst später in die Höhe drücken.
Der Wind trieb verführerisch sanft über die Lichtung hinweg. Er brachte den herbstlichen Geruch mit. Die feuchte Erde, das alte Laub, die Natur, die nicht ihr Leben aushauchte und sich nur versteckte, um Monate später wieder in voller Blüte zu stehen.
Das Skelett wartete, und ich ging auf es zu. Ich zeigte keine Angst, aber der Knöcherne zog sich auch nicht zurück. Ich hatte mehr den Eindruck, dass er mich sogar erwartete, um mir seine Kraft demonstrieren zu können.
Ich blieb gelassen. Kleine Schritte, aber zielstrebig gesetzt. Das Gelände war flach, wenn auch hoch bewachsen.
Je näher ich kam, desto deutlicher konnte ich es erkennen. Das also war einer dieser alten Templer, die vor langer Zeit einen falschen Weg eingeschlagen hatten. Sie hatten dem Satan oder Baphomet gedient, wie auch immer, und sie hatten ihm das Versprechen abgenommen, dass er sich um sie kümmerte.
Das war auch geschehen, aber sicherlich anders, als es sich die Templer vorgestellt hatten.
Die Entfernung zwischen uns schmolz zusammen. Der Knöcherne tat nichts, um mich anzugreifen.
Ich überlegte, mit welcher Waffe ich ihn attackieren sollte.
Kreuz oder Kugel?
Beides würde seinem unseligen Leben hoffentlich ein Ende bereiten. Das Kreuz hing noch versteckt unter meinem Hemd. Es gab noch keine Wärme ab.
Die Horror-Reiter hatten nicht von einer geweihten Silberkugel vernichtet werden können, weil sie einfach von der Hölle mit einer zu großen Macht ausgestattet gewesen waren. Bei diesem Skelett traf das bestimmt nicht zu. Er war ein Mitläufer, der natürlich auf keinen Fall unterschätzt werden durfte.
Ich wusste nicht, ob ich ihm einen Grund gegeben hatte, jedenfalls schleuderte es seinen Knochenkörper plötzlich nach vorn, und dann gab es für die Gestalt kein Halten mehr. Nach wenigen Schritten schon hatte der Knöcherne einen gewissen Rhythmus in seine Bewegungen gebracht, und er riss auch das Schwert hoch, dessen Griff er jetzt mit beiden Händen umfasste.
Ein Mensch hätte bei einem derartigen Angriff sein Gesicht verzogen. Ich hätte Wut und Hass darin leuchten sehen, aber nicht bei dieser grauenhaften Gestalt, die keinerlei Regung zeigte und einzig und allein von ihrem Trieb geleitet wurde.
Ein Hund hatte schon daran glauben müssen. Jetzt sollte der Mensch an die Reihe kommen.
Ich wunderte mich über mich selbst, dass ich so ruhig, ja, schon apathisch blieb. Ich zog nicht mal die Waffe und konzentrierte mich nur auf den Angriff.
Die Gestalt würde aus der Vorwärtsbewegung heraus zuschlagen, um mich in Stücke zu hauen.
Genau darauf stellte ich mich ein!
Und dann schlug das Skelett zu. Aus dem Lauf heraus, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Mein Freund Suko hätte sich gefreut, wenn er gesehen hätte, wie geschmeidig ich zur Seite wegtauchte. Im Hintergrund glaubte ich, einen Schrei zu hören, aber die verdammte Klinge erwischte mich nicht.
Das Skelett stolperte an mir vorbei. Auch die Klinge traf mich nicht, aber sie hämmerte mit großer Wucht in den weichen Boden der Lichtung hinein.
Dort steckte sie fest.
Ich fuhr herum und rammte den rechten Fuß mit voller Wucht gegen den Knochenkörper.
Das Skelett hatte sich nicht darauf einstellen können. Es bekam die Wucht voll mit, wurde zur Seite geschleudert, und seine Klauenhände rutschten vom Schwertgriff ab.
Genau das hatte ich gewollt.
Ich packte zu und musste mich schon anstrengen, um die Waffe aus der Erde zu ziehen.
Dann aber hatte ich sie.
Auch der Knöcherne hatte sich wieder gefangen. Er dachte an alles, nur nicht an Flucht. Er wollte mich ebenso töten wie den Hund. Dass er der Mörder
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