1185 - Im Schloss der Skelette
man… man… hat ihn in der Mitte einfach durchgehauen. Verstehen Sie? In zwei Hälften geteilt.«
Mehr konnte sie nicht sagen und schlug beide Hände vor ihr Gesicht.
»In zwei Hälften«, murmelte ich und blies die Luft aus. »Das ist natürlich…«
»Grauenhaft, John.« Die Hände sanken wieder nach unten. »Wer, zum Teufel, tut so etwas?«
»Ich weiß es nicht…«
»Ich auch nicht. Aber es gibt sie, John. Es gibt solche Menschen. Oder soll ich sagen, dass es keine normalen Menschen sind, die so etwas fertig bringen?«
»Ich denke, das käme der Wahrheit schon näher.«
»Und weiter?«
»Nichts.«
»Bitte, es muss eine Erklärung geben.«
Sie schaute mich so bittend an, dass ich nicht anders konnte, als ihr eine Antwort zu geben. »Ja, Claudine, es wird auch eine Erklärung geben. Davon bin ich überzeugt. Es gibt für alles in der Welt eine Erklärung, darüber sind wir uns im Klaren. Aber wir müssen auch versuchen, normal nachzudenken. Und Sie sind eine wichtige Zeugin in diesem besonderen Fall.«
»Sie reden wie ein Polizist, John.«
»Ich bin einer.«
»Ach«, sagte sie nur und schaute mich aus ihren großen dunklen Augen an.
In der folgenden Minute gab ich ihr eine knappe Erklärung, damit sie über mich Bescheid wusste.
Ich teilte ihr auch mit, dass mich nicht der Zufall in diese Gegend geführt hatte, und ich vergaß auch nicht, das seltsame Schloss zu erwähnen, das nur so genannt wurde, in Wirklichkeit aber keines war.
»Ja, das kenne ich«, sagte Claudine leise. »Ich mache hier ja öfter Urlaub. Ich bin viel durch die Gegend gewandert. Hier habe ich Ruhe. Ich kann nachdenken und auch schreiben, wenn ich es muss. Mir fällt hier einfach mehr ein.«
»Das kann ich verstehen. Aber aufgefallen ist Ihnen nichts - oder?«
»Denken Sie dabei an diese Burg?«
»Genau!«
»Nein, eigentlich nicht. Oder doch? Ja, den Hunden. Ich war mit ihnen dort. Sie sind sensibler als Menschen, und sie haben sofort gespürt, dass da nicht alles so ist, wie es sein müsste. Was sie witterten, weiß ich nicht. Ich gehe auch jetzt noch davon aus, dass es sich um eine Gefahr gehandelt hat.«
»Können Sie die näher erläutern?«
Claudine winkte mit beiden Händen ab. »Sie glauben gar nicht, wie gern ich das tun würde, aber ich schaffe es nicht. Ich habe die Gefahr gespürt, aber ich habe sie nicht zu Gesicht bekommen. Sie hielt sich im Unsichtbaren versteckt. Ich wusste genau, dass sie vorhanden war, aber ich…«, sie konnte nicht mehr weitersprechen. Schließlich gewann sie die Fassung wieder und fuhr ruhiger fort: »Wir sind dann fast schon geflohen, meine Hunde und ich. Sie lachen nicht darüber, aber andere hätten es getan und mich für eine Spinnerin gehalten. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass ich Recht habe. Ich… ich… irre mich da nicht.«
»Ja, das denke ich auch, Claudine. Aber Sie sind aus dem Wald gekommen, als wir uns trafen…«
»Stimmt.«
»Gab es einen Grund dafür, dass sie dort hingelaufen sind?«
»Es war Stan.« Sie nickte dem verletzten Hund zu und berichtete mir dann, weshalb sie überhaupt in den Wald gegangen war.
Ich hörte sehr genau zu. Sie sprach davon, nicht allein gewesen zu sein. Sie hatte etwas gesehen und auch gespürt. Einen Schatten zuerst, dann eine Gestalt, die sich zwischen den Bäumen verborgen hatte.
»Und das ist sicher?« hakte ich nach.
»Ja, keine Einbildung.«
»Können Sie die Gestalt beschreiben?«
Ein etwas verloren wirkendes Lächeln überzog ihr Gesicht. »Es wäre schön, wenn ich sie beschreiben könnte. Leider muss ich da passen. Ich habe sie gesehen und mehr nicht. Das war alles, John. Wirklich.«
»Gesehen?«
»Mehr geahnt, und ich habe etwas gehört. Das Klirren von Metall.« Sie beschrieb mir noch genau, was sie da gefühlt hatte und welche Angst über sie gekommen war. Das wirkte sich auch auf ihr Erinnerungsvermögen aus, sodass ich erfuhr, dass die Gestalt zwar wie ein Mensch ausgesehen hatte, aber wohl keiner gewesen war.
»Ihr Hund wurde auf diese schreckliche Art und Weise umgebracht«, sagte ich.
Sie richtete sich kerzengerade auf. »Sagen Sie nur, er wurde einfach zerhackt!«
»Genau. Und dafür muss es eine Erklärung geben. Ich denke da besonders an die Tatwaffe.«
»Darüber habe ich mir auch meine Gedanken gemacht«, gab sie zu. »Und ich bin darauf gekommen, dass es ein Schwert gewesen sein muss. Ein Schwert mit scharfer Klinge.«
»Wer läuft heute noch mit Schwertern durch die Gegend?«, fragte
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