1185 - Im Schloss der Skelette
dem Tisch, bei deren Duft mir das Wasser auf der Zunge zusammenlief.
Der Abbé kam. Allein, was mich wunderte. Ich stand auf, als er an meinen Tisch herantrat. Er legte eine Hand auf meine Schulter. »Bleib ruhig sitzen, John.«
»Gern, aber wo ist Lucien?«
Bloch lächelte verschmitzt. »Die jungen Leute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Er hat sich hingelegt.«
»Daran tat er recht. Die lange Fahrt…«
»Ich bin ja auch froh, John. So können wir das Problem allein bereden.« Er seufzte und zog ein unglückliches Gesicht. »Appetit habe ich ja keinen, aber wenn ich dich so trinken sehe und mir die Farbe des Weins anschaue, dann bekomme ich schon Durst.«
»Schlag zu!«
»Ein Glas kann nie schaden.«
»Das meine ich auch.«
Bei der Besitzerin, die frisch und gesund aussah, obwohl sie schon älter war, bestellte der Abbé ein Glas Wein und zwei kleine Küchlein mit Käse. »Das muss ich einfach haben. In meinem Alter soll man jede Sekunde seines Lebens genießen und es sich so angenehm wie möglich machen.«
»Du überlebst uns alle.«
»Ja, ja, das sagt sich so leicht.«
Ich schaute ihn an. Sein schlohweißes Haar war noch immer dicht. Das Gesicht zeigte eine leichte Bräune. Falten ließen auf die Spuren eines langen Lebens schließen, aber die Augen, die vor langer Zeit einmal blind gewesen waren, blickten wieder so klar wie immer in die Welt. Darin loderte noch das Feuer einer Jugend, die bei ihm irgendwie nicht vorbei war.
Der Abbé war ein Kämpfer, und bei ihm spielte das Alter nur eine untergeordnete Rolle.
Uns trieb niemand. Bloch genoss die Aussicht auf das kleine Stück Landschaft hinter dem Fenster, lächelte, trank dann von seinem Wein und zerteilte das Käse-Küchlein mit der Gabel. »Die Welt kann so schön sein, nicht wahr, John?«
»Da sagst du was.«
»Aber hin und wieder wird sie gestört. Dann erscheint das, was man längst vergessen gewähnt hat.«
»Zum Beispiel?«
Der Templer verspeiste zunächst das erste Küchlein. »Das Böse, John, du weißt es.«
»Wem sagst du das?«
Bloch schob das zweite Küchlein zurück und griff nach seinem Glas, um wieder einen Schluck zu süffeln. »Ich habe es gesehen, John, in meinem Würfel. Ich spürte das Grauen, das dicht davor stand, zurückzukehren, aber ich wollte dich nicht stören. Ich weiß ja, dass du viel um die Ohren hast.«
»Moment mal, Abbé. Aber nicht, wenn du…«
»Trotzdem.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe einen anderen Weg eingeschlagen. Es gelang mir, zwei Detektive zu finden, die ihr Büro in Straßburg haben. Sie erhielten von mir einen gewissen Geldbetrag und den Auftrag, sich an einer bestimmten Stelle hier in der Nähe umzuschauen.«
»Wo denn genau?«
»In einem Schloss.«
»Aha.«
Bloch lächelte. »Nun ja, es ist kein Schloss, wie du es vielleicht aus deiner Heimat kennst. Man nennt es nur das Schloss, obwohl es mehr an eine Ruine erinnert oder an einen Fluchttunnel und an ein Versteck innerhalb eines Berges oder Hügels.«
»Was sollten die beiden denn herausfinden?«
Bloch schaute mich traurig an. »Ob sie vielleicht zurückgekehrt sind aus einer schlimmen Vergangenheit, die sie sich selbst zuzuschreiben haben.«
»Wie soll ich das verstehen?«
Bloch nahm sein Glas in die Hand und schaute mich über den Rand hinweg an. »Baphomet!«, flüsterte er.
Ich schwieg, aber ich machte mir meine Gedanken. Irgendwie hatte ich schon geahnt, dass gerade er eine große Rolle spielte. Baphomet war der Dämon mit den Karfunkelaugen und der Götze all der Templer, die sich in der Zeit der großen Verfolgung in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ihm zugewandt hatten, weil sie hofften, sich durch seine Gunst befreien zu können.
Dass sie einen Pakt mit der Hölle schlossen, daran hatten sie nicht gedacht, und sie hatten diesen Pakt auch bis heute nicht gelöst. So waren aus ihnen und den normalen Templern Todfeinde geworden.
Ich schaute dem Abbé ins Gesicht. »Was hast du mir zu sagen?«
Er seufzte. »Anscheinend werde ich alt, John.«
»Warum?«
»Ich muss einen Fehler eingestehen.«
Mein Lachen irritierte ihn. Deshalb sagte ich schnell: »Wer keine Fehler begeht, lebt nicht.«
»Ja - schon. Aber ich hätte es wissen müssen, John. Es war der falsche Weg, die beiden Detektive zu engagieren. Ich hätte es anders machen sollen.«
»Wie denn?«
»Dir von vornherein Bescheid geben.«
»Okay, das ist nicht geschehen. Was geschah mit den beiden Männern?«
»Sie sind tot!«
Ich
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