1186 - Der Henker vom Hamburg Dungeon
ernst?«
»Doch.«
»Sie wollen eine Nacht im Hamburg Dungeon verbringen? Ganz allein, ohne Schutz?«
Ich lächelte. »Ob ich ganz allein sein werde, weiß ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass es noch jemand gibt, der sich dort versteckt hält. Es ist ein gutes Versteck. Oder haben Sie und Ihre Kollegen im Dungeon nach ihm gesucht?«
»Wir haben alles gemacht.«
»Auch in der Nacht?«
»Nein.«
»Dann werde ich es mir dort mal gemütlich machen. Ich denke, dass ich mit der Notbeleuchtung zufrieden sein werde.«
Knudsen sagte nichts. Er deutete das Raufen seiner Haare an und meinte schließlich: »Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Nur denke ich nicht, dass ich das in diesem Fall zulassen kann.«
»Moment mal…«
»Lassen Sie mich ausreden, John. Sie können dort übernachten, aber Sie werden nicht allein sein.«
»Der Henker…«
Er unterbrach mich wieder. »Nicht nur der Henker. Auch ich fahre in der nächsten Nacht nicht nach Hause. Und vier Augen sehen immer mehr als zwei.«
»Bitte, Uwe, wie Sie wollen. Ich habe nichts dagegen…«
***
Rico Wilde war knapp über 30 und gehörte zu den jungen Leuten, die es bereits geschafft hatten, wie man so schön sagt. Er war smart, er hatte Ideen und Visionen, und er war jemand, der beide Dinge in Taten umsetzte.
Als Geschäftsführer war er der Chef des Hamburg Dungeon, doch er wollte mehr. Für ihn war Hamburg erst der Anfang. Andere Städte warteten ebenfalls darauf, beglückt zu werden, Köln oder Berlin. Gerade Köln konnte auf eine Vergangenheit zurückblicken, die ebenfalls nicht ohne war.
Aber die Probleme der Gegenwart stellten alle Zukunftsaussichten erst mal in den Hintergrund.
Es hatte drei Tote gegeben, drei geköpfte Männer!
Immer wenn Rico Wilde daran dachte, drang etwas hoch von seinem Magen und schnürte ihm für einen Moment die Kehle zusammen. Oft wünschte er sich, dass er alles nur geträumt hatte, dann aber musste er an die Polizisten denken, die mit ihm lange Gespräche geführt hatten. Er hatte auch die Toten gesehen. Kurze Blicke nur, aber das hatte ausgereicht. Es war etwas anderes, ob man die Toten in der Schau hatte, die schließlich künstlich hergestellt worden waren, oder ob die Leichen tatsächlich präsent waren.
Der Tod war in seiner Lebensplanung bisher nicht aufgetreten. Alles was mit ihm zu tun hatte, das hatte er in den Hintergrund gedrängt. Kein Wunder mit 30 Jahren. Nun fing sein Weltbild an zu bröckeln. Rico Wilde hatte den Tod hautnah gespürt, und immer wenn er daran dachte, rann über seinen Rücken ein Schauer.
Zum Glück war nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Ein Wunder in der Medienwelt. Möglicherweise waren diese Verbrechen auch zu unglaubwürdig, als dass sie den Reportern abgenommen worden wären. Man wollte auch keine Angst in der Bevölkerung schüren, denn es gab schon genügend Ärger.
Allerdings war das Dungeon geschlossen worden. Aus technischen Gründen, wie es offiziell hieß.
So etwas war auch akzeptabel. Trotzdem würden sich die Vorgänge nicht mehr lange geheim halten lassen, das stand für Wilde fest.
Die Polizei hatte nicht geschlafen. Sie war sogar aktiv im Ausland geworden. Der leitende Beamte, Uwe Knudsen, hatte Wilde erklärt, dass noch ein Eisen im Feuer lag. Und das würden sie hervorholen, um den Killer zu fangen.
Wer war es? Wen sollte der Fachmann suchen? Wilde zermarterte sich darüber den Kopf, ohne eine Lösung finden zu können. Er konnte sich keinen Menschen vorstellen, der so etwas tat. Andere zu köpfen, das war schon etwas anderes als sie einfach zu erschießen.
Der Täter hatte keine Spuren hinterlassen, und Rico erinnerte sich daran, dass jemand den Begriff Schattenhenker erwähnt hatte. Genau das war er wohl. Ein Schattenhenker.
Auch Wilde dachte daran. Vorstellen konnte er sich darunter nichts. Für ihn war dieser Killer einfach nur eine überirdische Person, allerdings im negativen Sinn.
Das Dungeon war geschlossen. Rico hatte seine Mitarbeiter nach Hause geschickt. Auch er hätte verschwinden können, was er allerdings nicht tat. Er konnte nicht weg. Er musste hier in der Nähe bleiben. Für ihn war es wie ein Drang. Er wollte sein Lebenswerk einfach nicht ohne Schutz lassen.
Deshalb war er auch nicht verschwunden. Andere hätten sich in irgendwelchen Kneipen oder Szene-Bars betrunken, um dem Elend zu entwischen. Bei ihm war das nicht der Fall. Rico Wilde konnte sich zusammenreißen. Er war ein Mensch, der die Arbeit immer vor das
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