1189 - Hexen-Wahrheit
jeder Besucher erkennen konnte, wohin der Weg führte, wenn man nur immer fleißig trainierte. Auch die enge Hose saß wie eine zweite Haut, und die etwa fünfundzwanzigjährige Blondine bewegte sich im Takt der leisen Musik.
Ich musste leicht grinsen, als ich das sorgfältig gestylte Haar sah. Eine blonde Mähne, zu den Seiten hin weg und leicht nach oben gekämmt, sodass nichts den Ausdruck des Puppengesichts veränderte.
»Hi«, flötete uns die Blonde entgegen. »Ihr seid aber neu hier.«
»Stimmt«, erklärte ich.
»Wollt ihr was für euren Körper tun?«
»Müssen wir das denn?«
»Hach, welch eine Frage. Aber immer doch. Es tut gut. Nicht nur dem Körper, auch der Seele.«
An einem Schild hatte ich abgelesen, dass sie Sandy hieß. »Wie man bei Ihnen sehen kann.«
»Sehr richtig.«
»Dann treiben Sie es auch noch?«
»Jeden Tag und…« Sie bekam plötzlich einen roten Kopf, da ihr eingefallen war, dass man meine Frage auch anders verstehen konnte. »Also bitte, keine Anzüglichkeiten.«
»Das war nicht anzüglich«, klärte ich sie auf. »Aber wir wollen uns auch nicht anmelden.«
»Ach ja. Warum sind Sie dann gekommen?«
»Weil wir mit Ihrem Boss sprechen möchten. Wir wissen zufällig, dass er sich hier aufhält.«
»Tizian Tristano…« Sie sprach den Namen aus, als wäre der Mafioso der liebe Gott.
»Genau ihn.«
»Das ist nicht möglich.«
»Warum denn nicht?« fragte Suko.
»Weil, weil…«, in ihre blassen Augen trat ein Ausdruck der Unsicherheit. »Nein, das geht auf keinen Fall. Tut mir echt und ehrlich leid, Gentlemen. Ohne Voranmeldung ist da nichts zu machen. Überhaupt, wie kommen Sie dazu, einfach hier einzutreten und diese Forderung zu stellen.«
»Rufen Sie Ihren Chef an.«
»Wie käme ich dazu?«
»Weil wir es so wollen!«
Sandy trat einen Schritt von ihrer Theke weg nach hinten. Mit leicht kreischender Stimme rief sie einen Namen. Von einem der Tische löste sich ein Typ, bei dem der Vergleich wandelnder Kleiderschrank passte. Hellblonder Bürstenhaarschnitt, die Haut braun vom Solarium und ein Körper, über den man sicherlich nur ehrfürchtig staunen konnte. Zumindest Fans des Studios.
Breite Schultern. Muskelpakete, die sich unter dem schwarzen T-Shirt deutlich abmalten. Er kam mit wiegenden Schritten auf uns zu, wobei seine beige Outdoor-Hose schon ein wenig lächerlich an ihm wirkte.
Vor uns blieb er stehen, schaute aber Sandy an und fragte: »Hast du Probleme?«
»Ja, ja. Die beiden wollen zu Tizian.«
Der Muskelmann lachte nur. »Zu wem? Ihr seid irre. Haut ab. Aber schnell. Noch ist es Zeit. Ich will nichts gehört haben. Wenn ich erst mal etwas gehört habe, geht ihr nicht nach draußen, sondern fliegt. Ist das klar genug?«
»Ja, Sir«, sagte Suko. »Nur könnte es sein, dass es Ihnen später schlecht ergeht, wenn plötzlich ein Wagen hier hält, der deinen Boss einlädt und zum Yard mitnimmt.«
»Wie?« Mit starken geistigen Gaben war der Body nicht gesegnet. Sonst hätte er nicht eine so dämliche Frage gestellt.
»Scotland Yard«, sagte ich.
»Das sind Bullen!« Sandy quengelte die Antwort hervor und sah aus, als stünde sie kurz vor dem Weinen.
»Habe ich auch gemerkt«, sagte der Typ.
»Und was schließt du daraus, Kleiderschrank?«, fragte ich.
»Ähm…«
Ich tippte ihm gegen seinen harten Brustkorb. »Ich möchte deinem Gedächtnis nachhelfen. Du sagst jetzt deinem Boss Bescheid, dass wir mit ihm reden müssen. Klar.«
Der Kleiderschrank zog die Nase hoch. »Ja, ist klar. Das geht auch um Gino, nicht?«
»Alles ist möglich.«
Der Blonde verschwand hinter der Theke. Sandy wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte ihre Arme vor der aufgepeppten Brust verschränkt und nagte an der Unterlippe. So sah sie aus wie ein kleines Mädchen, das vergessen hat, seine Hausaufgaben zu machen. Irgendwelche Worte brachte sie nicht mehr hervor.
Der Typ sprach mit seinem Boss. Er hatte uns dabei den Rücken zugedreht und redete leise. Bei der Unterhaltung nahm er eine devote Haltung ein. Er buckelte einige Male, was für uns wirklich nur noch zum Lachen war.
Schließlich war er fertig und drehte sich um. »Ja, Tizian ist bereit, Sie zu empfangen.«
»Das war auch nötig«, sagte Suko.
Wir mussten hinter ihm hergehen. Die »schöne« Sandy warf uns noch verächtliche Blicke zu. Wir waren für sie nicht die richtigen Kerle. Zudem noch Polizisten. Da musste sie ja an der großen Welt verzweifeln.
Durch eine Glastür ging es in einen anderen Bereich
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