119 - Satanische Klauen
wir, daß im Palais bei den Valeaus der Haussegen
schiefhängt und daß etwas passiert ist, was alle aus dem Gleichgewicht gebracht
hat.“
„Raoul Valeau hat keine Einzelheiten
genannt.“
„Die Art, wie er gesprochen hat, zeigt, daß
ihn etwas bedrückt, daß er aber nicht gerne darüber
sprechen will. Auch Ninette gegenüber nicht, obwohl sie die einzige ist, der er
sich wirklich anzuvertrauen scheint.“
Larry löffelte seine Bouillabaisse. „Die
schmeckt“, lobte er „Da merkt man, daß man in der Provinz ist. In Paris kriegt
man so etwas nicht mehr. Da schmeckt sie, als wäre sie aus toten Fischen
zubereitet.“
„Und voraus, denkst du, hat man hier die
Brühe hergestellt? Meinst du, hier haben sie lebende Fische genommen?“ „Denke
ich nicht, nein. Aber bis nach Paris ist der Weg weiter. Bis der Fisch dort
ist...“ Er wechselte das Thema und kam zur Sache zurück. „Und von wegen, nicht
erfolgreich. Ich habe hier ein Zimmer gefunden, mit dem ich sehr zufrieden bin.
Da auch du ein Kämmerlein unterm Dach bekommen hast, erinnert mich das last an
einen Urlaub. Der tut uns zwischendurch mal gut. Ich kann mich nicht entsinnen,
in der letzten Zeit ein paar ruhige Minuten gefunden zu haben, mit dir
gemütlich essen zu gehen, bei einer Flasche Rotwein zu plaudern und die Sorgen
des Alltags zu ver ...“
Da hörten sie den Schrei.
Draußen vor der Tür.
„Ninette!“ rief Larry aus, sprang auf, wie
von einer Tarantel gestochen, und fegte wie ein Blitz durch das Restaurant.
Ehe die meisten begriffen, was eigentlich los
war, riß X-RAY-3 die Tür auf und lief hinaus in den Hof, in dem zahlreiche
Autos parkten. Die meisten mit Nummernschildern aus Narbonne, Nimes und Paris.
Französische Touristen, die hier in der Abgeschiedenheit der Bergwelt in diesem
bekannten Haus noch einen gemütlichen Abend genossen, ehe sie wieder in den
Alltag zurück mußten.
Der Kies knirschte unter den Schritten, als
Larry auf das große, weit offenstehende schmiedeeiserne Tor zulief.
Ein Wagen fuhr davon. Die Reifen radierten,
Steine wurden hochgeschleudert. Ein rubinroter Jaguar jagte die schmale und
kurvenreiche Straße hinab, verschwand in der nächsten Kurve.
Vor dem Tor lag eine Gestalt. Sie versuchte
sich zu erheben.
Larry war sofort an ihrer Seite: Ninette. Sie
sah ihn aus feuchtschimmernden Augen an. Ihre Lippe war aufgerissen, ein dünner
Blutfaden rann aus ihrem Mundwinkel. Mit dem Ärmel wischte sie darüber hinweg.
„Monsieur Brent?“ fragte sie erstaunt.
„Ich habe hier ein Zimmer gefunden. Wir haben
Sie am Tisch sitzen sehen. Er hat es getan?“ fragte er und war ihr behilflich,
auf die Beine zu kommen.
„Er muß den Verstand verloren haben.“ Ihre
Lippen zuckten. Sie begann zu weinen.
Das Motorengeräusch verebbte in der Ferne.
„Wie ist es passiert?“ wollte Larry wissen.
An der Tür zum „Mon Hôtel“ tauchte Morna auf und kam eilig näher. Hinter
ihr drängten ein paar Neugierige aus dem hellerleuchteten Rechteck der Tür,
darunter der Hotelbesitzer.
Ninette fiel das Sprechen schwer. Ihre
Ausführungen wurden immer« wieder durch Schluchzen unterbrochen.
„Wir standen hier an der Ausfahrt - er - er küßte mich noch -'darin
...“ Sie weinte, ihre Lippen schwollen an. „Dann gab er mir die Hand - das
heißt, er wollte sie mir geben, Monsieur. Plötzlich - stutzte er. ,Das gibt’s doch nicht!’ entfuhr es ihm. Er betrachtete
seine Hände - sichtlich erschrocken. Ich frage ihn, was los ist. Da sieht er
mich groß an - er sieht plötzlich ganz verändert aus. Traurig - und böse
zugleich. ,Er hatte recht, verdammt noch mal!’ krächzt
er. ,Ich hätte dich nicht Wiedersehen sollen!’ Dann
schlägt er mir zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht, wendet sich ab und
stürzt ins Auto, startet und fährt los.“
Ein Strom von Tränen stürzte aus ihren Augen.
„Entschuldigen Sie - bitte“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. „Ich -
benehme mich wie ein kleines Mädchen.“
Morna legte den Arm um ihre Schulter. Larry
nickte ihr stumm zu. „Ich glaube, das kannst du besser als ich. Ich setze mich
mal auf Raoul Valeaus Spuren. Er benimmt sich reichlich merkwürdig, findest du
nicht auch? Ich hatte gleich so ein komisches Gefühl ..
●
Bis er den nagelneuen Citroën aus der Parklücke heraus hatte, vergingen zwei
Minuten. Die Wagen standen in dem kleinen Hof zu dicht.
Aber Valeaus Weg war ihm bekannt. Es ging zum
Palais. Falls das stimmte, was er Ninette gesagt hatte
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