119 - Satanische Klauen
seiner Stimme war nicht zu überhören. „Nein. Nichts.“
„Nichts?“ Er lachte heiser. „Wirklich - gar
nichts? Sie sind doppelt so dick, sie sind angeschwollen, die Haut platzt
stellenweise auf - faulendes Fleisch - wie bei meinem Vater.“
Larry packte die beiden Armgelenke, riß sie
hoch und hielt sie Raoul vor die Augen. „Was immer Sie auch gesehen haben,
Raoul, es ist nicht vorhanden. Sie sind gesund. Ihre Hände sind völlig normal.
So sehen Sie doch genau hin, um Himmel willen!“
Der starre Blick in seinen Augen wurde etwas
beweglicher. „Gesund? Tatsächlich? Aufplatzende, nässende Wunden - ich wollte
Ninette nicht zumuten, mir noch die Hand zu geben.“ Er war völlig verwirrt.
„Mutter. Ich muß mich um Mutter kümmern“,
fiel ihm plötzlich ein. „Sie hat mich gerufen, aber sie ist nirgends zu finden.
Muß oben nachsehen. Kommen Sie bitte mit, helfen Sie mir.“
X-RAY-3 war klar, daß Raoul Valeau sich noch
immer nicht in der Verfassung befand, daß man mit ihm in Ruhe erörtern konnte,
was in ihm vorging.
Raoul lief über die Stufen nach oben. Larry
hinter ihm her.
Valeau riß eine Tür nach der anderen auf. Die
Bibliothek war verschlossen. Er trommelte gegen die Tür.
„Mutter? Mutter? Bist du da drinnen?“
Ein leises Stöhnen, aber kein Wort.
Er warf sich gegen die Tür. Sein Anlauf war
zu schwach, um zu einem Erfolg zu kommen.
Larry Brent nahm ihm die Arbeit ab.
Er nahm zweimal Anlauf. Dann splitterte das
Holz, und der Riegel krachte aus der Halterung.
Ein verhangenes Fenster, ein wuchtiger
Schreibtisch im Stile Louis XVI., Regale, gefüllt mit modrig riechenden
Büchern. Auf einem mit rotem Samtkord bezogenen Stuhl saß eine Frau, schreckensbleich:
Madame Valeau.
„Mutter!“ Raoul stürzte auf sie zu.
Brigit Valeau bewegte die Lippen. Es war, als
sei alle Kraft aus ihrem Körper gewichen. Sie war kaum in der Lage, laut zu
sprechen.
Auf ihrem Schoß lag ein Revolver.
„Es ist gut, daß du da bist - Raoul.“ Wie ein
Hauch klang ihre Stimme. „Ich hätte es - keine Minute länger ausgehalten.“
„Warum hast du dich hier eingeschlossen?“
„Nach dem Anruf bin ich - zu Vater gegangen -
er lag nicht mehr in seinem Bett - jemand anders saß darin - ein schreckliches,
runzliges Wesen mit tiefliegenden Augen - es hat mich angegrinst - mit
lückenhaften, schwarzen Zähnen. Ich habe seinen' übelriechenden, scharfen Atem
im Gesicht gespürt. Die Augen glühten, als- wollten sie mich verschlingen - wer
oder was war das, Raoul?“
Der Angesprochene riß sich zusammen. Larry
sah, wie seine Hände zitterten, als er sich durch die Haare fuhr. „Du irrst
dich, Mutter.“ Es bereitete ihm große Mühe, ruhig und gelassen zu sprechen. „In
Vaters Zimmer - ist niemand. Vater ist nicht da.“
Die Augen der entsetzten und erschöpften Frau
schienen noch größer zu werden. „Und wo ist - dieses schreckliche Geschöpf? Hat
es ihn mitgenommen?“
„Ich sagte, ich habe nichts gesehen.“
„Du verstehst mich nicht. Ich werde dir alles
erzählen - wie ich es erlebt habe - mit Antoinette angefangen - sie wollte uns
verlassen - sie kam nicht weit...“ Sie unterbrach sich. Erst jetzt merkte sie,
daß hinter ihrem Sohn noch jemand das Zimmer betreten hatte.
„Wer ist das, Raoul?“ fragte sie erschrocken.
Ihre Rechte umfaßte die Waffe.
„Ihn brauchst du nicht zu fürchten, Mutter.
Das ist Monsieur Brent. Er ist ein Spezialist für übernatürliche Phänomene.“
„Übernatürliche Phänomene?“ echote sie mit
schwacher Stimme. „Ja, ja, das
wird es wohl sein - ich glaube, Monsieur, Sie
sind hier an der richtigen Adresse. In diesem Haus spukt es. Das Böse ist
überall - es belauert uns - ich fühle ständig dunkelglühende Augen in meinem
Rücken, die Decken und Wände durchbohren.“
Die Nähe ihres Sohnes und die ruhige Art des
jungen Unbekannten, den Raoul mitgebracht hatte, wirkten wohltuend auf sie.
Ihre Stimmung besserte sich. Sie erzählte der Reihe nach die gespenstischen
Ereignisse, auf die sich niemand einen Reim machen konnte.
Kaum hatte sie ihre Ausführungen beendet,
hörten sie eine Tür klappen, nur wenige Meter von dem Zimmer entfernt, in dem
sie sich aufhielten.
Mit einem schnellen Sprung war Larry Brent an
der Türöffnung.
●
„Raus hier!“ Der Schwedin wurde es nicht
bewußt, daß sie diese Worte schrie.
Sie hatten noch eine winzige Chance, dem
Flammentod zu entgehen.
Die Feuergestalt warf sich förmlich auf den
klapprigen 2 CV.
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