1191 - Monsterblut
kann es dir nicht sagen.«
»Hast du ihn gefragt?«
»Noch nicht. Du siehst doch selbst, dass er nicht ansprechbar ist. Wir müssen warten, bis er wieder einigermaßen die Balance gefunden hat.«
»Ja, das stimmt.«
Ich fühlte mich verdammt verunsichert. Es gab etwas, das mich persönlich anging, aber ich war nicht in der Lage, es in die Reihe zu bringen. Der Schatten, die Stimmen, das Flattern. Es waren keine Einbildungen gewesen, und damit musste ich leben.
Auf der anderen Seite wollte ich mehr herausfinden. Damit konnte ich mich nicht zufrieden geben, und ich wusste, dass Purdy Prentiss ebenfalls so dachte.
Der Schlüssel zu den tiefer liegenden Dingen war einzig und allein Brian Mills. Es ging um ihn, um keinen anderen. Er war das Zentrum, und ich ging davon aus, dass er es nicht einfach so geworden war. Da steckte mehr dahinter. Es musste einen Grund geben. Dieser Grund war für mich ein Ereignis, das möglicherweise auch mit Brians Vergangenheit zu tun hatte.
Er lallte nicht mehr. Geduckt saß er auf seinem Stuhl, den großen Kopf vorgeschoben. Er leckte mit der Zunge über seine Lippen, und wir sahen den dicken Speichel glänzen.
Ich sprach ihn an. »Möchtest du uns nicht sagen, was du alles erlebt hast?«
Er schwieg.
Ich blieb hart. »Bitte, Brian, du musst reden. Wie sollen wir dir sonst helfen?«
»Es war wieder da…«
»Ja, das haben wir gesehen!«
Nach diesen Worten begann er zu lachen. Und mir entging auch nicht das Strahlen in seinen Augen.
»Ich habe mich gefreut«, erklärte er uns. »Ich habe mich sehr gefreut, denn es ist einfach wunderbar gewesen. Ich fühlte mich ihm oder ihr so verbunden.« Er wirkte plötzlich fröhlich. »Jetzt weiß ich, dass ich nicht mehr allein bin. Ich habe das gefunden, was ich suchte. Ich… ich habe nur die Hindernisse aus dem Weg räumen müssen. Das habe ich getan. Die Parkers leben nicht mehr. Jetzt bin ich frei für sie.«
Purdy und ich hatten sehr genau zugehört. Uns war auch kein Wort entgangen. Doch Purdy sah aus, als hätte sie nichts begriffen, und mir erging es ähnlich.
»Was hast du mit deinen Worten genau gemeint?« erkundigte sich die Staatsanwältin.
»Haha… willst du es wissen?«
»Ja, gern.«
»Dass ich nicht mehr allein bin.«
»Wir haben es gehört.«
Er setzte sich aufrecht hin. So konnte er auch mit den Fingerspitzen gegen seine Brust tippen. »Es ist ein Wunder. Sie hat mich gefunden, und ich habe sie gefunden.«
»Es gibt keine sie«, sagte Purdy. »Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Es ist ein Schattenmonster gewesen, das wir alle hier gesehen haben.«
»Na und? Für euch vielleicht, aber ich habe sie gefunden. Und sie mich!«
Er wiederholte sich, und wir merkten, dass es ihn persönlich tief berührte.
»Wer ist es?«, wollte Purdy wissen. »Bitte, Brian, du solltest es uns sagen.«
»Es ist kein wer!«
»Gut.« Sie nickte. »Dann ist es eben jemand anderer. Bitte, wer ist es genau?«
»Eine Sie.«
»Aha.«
Brian Mills schlug mit beiden Händen auf den Tisch. »Sag nicht aha!«, schrie er los. »Das hat sie nicht verdient! Sag nicht einfach aha zu meiner Schwester…«
***
Mit allem hatten wir gerechnet. Jede andere Antwort wäre für uns keine große Überraschung gewesen, aber zu hören, dass dieses Wesen seine Schwester war, das war schon verdammt hart.
Purdy und ich schauten uns an. In den Augen der Staatsanwältin schimmerte der Unglaube. Ihre Lippen zuckten. Es sah aus, als wollte sie etwas sagen, aber es fehlten ihr einfach die richtigen Worte.
Auch für mich war es nicht nachvollziehbar. Ein derartiges verwandtschaftliches Verhältnis konnte es nicht geben. Davon ging ich aus, obwohl ich diese Schwester noch nicht persönlich zu Gesicht bekommen hatte. Auf der einen Seite ein Mensch. Auf der anderen ein geflügeltes Monster?
Brians Erregung hatte noch nicht abgenommen. In seinem Innern musste es glühen, und er schlug immer wieder auf den Tisch. »Sie ist meine Schwester, verdammt. Ich bin der Bruder. Und Bruder und Schwester gehören zusammen!«
Endlich hatten wir uns gefangen, und es war Purdy Prentiss, die zuerst sprach. »Woher weißt du, dass sie deine Schwester ist?«
Er schaute hoch. Seine Hände beruhigten sich wieder. Der Atem erreichte uns als leises Zischen.
»Sie hat es mir gesagt«, flüsterte er uns zu. »Ja, sie hat es mir gesagt. Und ich weiß, dass sie nicht gelogen hat.«
Purdy runzelte die Stirn. Sie deutete ein Kopfschütteln an. Ich nahm die Gelegenheit wahr und
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