1191 - Monsterblut
dagegen, Purdy, das wissen wir beide. In diesem Fall ist es anders. Ich selbst habe den Schatten gesehen. Ich habe in meinem Kopf das Flattern gehört und kann somit sagen, dass dieses Monstrum nahe an mich herangekommen ist. Es muss gewusst haben, dass wir ihm auf der Spur sind.«
»Sehe ich ein. Aber wie er es beschrieben hat, da kann ich mir nicht vorstellen, dass zwei so unterschiedliche Wesen blutsverwandt sein sollen.«
»Blutsverwandt, Purdy, du hast es gesagt.«
»Und weiter?«
»Ja, sie sind blutsverwandt. Geschwister. Auch wenn es nicht in unseren Kopf hineingeht, müssen wir uns damit abfinden. Frag mich nicht weiter. Ich habe so etwas noch nie erlebt, aber ich weiß, dass es dieses Monstrum gibt.«
Sie hob die fein geschwungenen Augenbrauen an. »Es gibt das Monster«, wiederholte sie. »Es ist verrückt. Es ist für uns beide nicht logisch erklärbar. Man hat ihn zwischen Mülltonnen eines Klosters gefunden. Aber wer waren seine echten Eltern?«
»Das wird er selbst nicht wissen. Du darfst nicht vergessen, dass man ihn als Baby ablegte.«
»Ja, schon, aber…«
Ich klopfte ihr auf die Schulter.
»Vergiss das große Rätseln, es bringt uns nichts. Um an ihn heranzukommen, müssen wir eben einen anderen Weg gehen.«
»Hast du eine Idee?«
Ich streckte die Beine aus. »Eine verrückte, Purdy. Eine mehr als verrückte, aber dazu brauche ich deine Hilfe, um sie auch in die Tat umzusetzen.«
Sie wartete gespannt ab. Sie war eine Schnelldenkerin und sagte leise: »Sollte diese Idee etwa nicht mit den Gesetzen in Einklang zu bringen sein?«
»So ähnlich.«
»Aha.«
»Du weißt noch nicht, an was ich gedacht habe. Sei nicht so negativ, Purdy.«
»Ich kann es mir denken.«
»Und?«, fragte ich lächelnd.
»Du wirst ihn freilassen wollen.«
Sie hatte mich erwischt. Ich sagte nichts. Aber sie sah meinem Gesicht an, dass ich genau diesen Gedanken mit mir herumgetragen hatte. Purdy stöhnte leise auf.
»Das ist unmöglich, John«, sagte sie. »Wir können ihn nicht freilassen. Schlag dir das aus dem Kopf.«
»Warum nicht? Es wäre für uns die einzige Chance, an dieses Monster heranzukommen.«
»Ja, schon, das sehe ich ein. Aber es ist gegen das Gesetz. Brian Mills ist ein Doppelmörder. Er hat seine Stiefeltern umgebracht. Eiskalt getötet.«
»War er das wirklich, Purdy?«
»Natürlich. Die Beweise…«
»Moment, das meine ich nicht. Es geht nicht um die Beweise. Es geht um die richtige Wahrheit, und die hat mit den Beweisen nichts zu tun, die vor Gericht gelten.«
»Damit komme ich nie durch. Stell dir mal vor, es würde ein Prozess laufen, und ich argumentiere in deinem Sinne. Nein, da würde man mich auslachen und mich in eine Zelle sperren. So verlockend die Vorstellung auch sein mag, aber ich bekomme sie nicht durch. Tut mir leid, John. Wir müssen uns da an die Gesetze halten.«
»Dennoch sollten wir die Möglichkeit nicht allzu weit wegschieben.«
Sie stand auf. »Lass uns fahren.«
Ich erhob mich langsamer. »Da ich einen Vorschlag gemacht habe, würde mich interessieren, ob du dir auch etwas ausgedacht hast, wie es weitergehen könnte.«
»Mein Vorschlag ist nicht so fantasievoll wie deiner, da bin ich ehrlich. Ich denke da mehr logisch.«
»Nüchtern.«
»Auch das.«
»Und wie sieht das aus?«
Sie hob den rechten Zeigefinger und wirkte jetzt wie eine Lehrerin. »Wenn diese seltsame Schwester tatsächlich existiert, werden wir Nachforschungen betreiben müssen.« Sie ließ den Finger wieder sinken. »Und zwar denke ich an das Nonnenkloster. Ich gehe davon aus, dass man es nicht aufgelöst hat. Wenn wir es finden, dann werden wir darüber mit den Nonnen sprechen. Irgendjemand wird vielleicht dort sein, der uns weiterhelfen kann.«
»Meinst du, die Nonnen hätten ein Monster aufgezogen oder versteckt?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich mache mir deswegen auch keinen Kopf. Ich hoffe nur, dass wir es einigermaßen hinbekommen. Wir müssen uns dieses Puzzle zurechtbauen.«
Im Prinzip hatte sie Recht. Mein Vorschlag war zwar außergewöhnlich, aber schlecht in die Tat umzusetzen. Wir würden schon unsere Schwierigkeiten bekommen. Trotzdem verbannte ich ihn nicht völlig aus meinem Gedächtnis.
»Du überlegst noch John, wie?«
»Ja.«
»Ich denke ebenfalls nach.«
»Worüber?«
»Ich bin nicht mit dem eigenen Wagen da. Er ist in der Werkstatt. Ein Mitarbeiter hat mich gebracht. Wenn du mich mitnimmst, dann brauche ich kein Taxi, und wir schonen so die Staatskasse. Ist das in
Weitere Kostenlose Bücher