1191 - Monsterblut
mal. Aber sie ist der Meinung, dass es zwischen ihr, dem Menschen, und dem Bild eine sehr starke Verbindung gibt. Sie hat mir mal gesagt, dass nicht alle Menschen, die wie Menschen aussehen, auch welche sind. Dass es Menschen gibt, die zwei Leben führen können. Verstehen Sie?« Greta hatte sich jetzt in Rage geredet. Sie stand vor Suko mit zu Händen geballten Fäusten. »Auf zwei Ebenen leben.«
»Können Sie das genauer erklären?«
Die Frau schüttelte heftig den Kopf. »Das ist so verdammt schwer, Inspektor.« Sie fuhr sich durch ihre Frisur. »Ich habe meine Probleme damit. Um es kurz zu machen. Amber war der Überzeugung, dass sie als Mensch und als etwas anderes existiert.«
»Als dieses Monster?«
Greta nickte und tippte sich an die Stirn.
Suko konnte die Reaktion der Frau verstehen. Aber er wusste, dass es die verrücktesten Dinge gab und auf der Welt nichts unmöglich war. So konnte es auch Greta geschafft haben, auf zwei Ebenen zu existieren. Zum einen als normaler Mensch und zum anderen als grauenvolle Bestie oder als Reptil, in einer Urzeitform. Dieses Wesen sah aus, als entstammte es einer Zeit, in der an Menschen noch nicht zu denken gewesen war. Und da zuckte ein Gedanke durch Sukos Kopf.
Amber Mills war eine Kreatur der Finsternis!
Er sagte dies nicht offen. Er kannte diese widerlichen Geschöpfe, die es geschafft hatten, sich den Menschen anzupassen und sich in nichts von ihnen unterschieden. Zugleich aber gab es ihre erste Existenz noch. Die jedoch war gut unter der zweiten versteckt. Eine bessere Tarnung konnte es für Dämonen nicht geben. Sie waren grausam, sie töteten und sie sahen sich noch immer im Dunstkreis des gefallenen Engels Luzifer. Sie waren praktisch seine Heerscharen, die sich in allen Teilen der Welt tummelten.
»Sie lachen mich ja nicht aus, Inspektor«, flüsterte die Chefin des Frauenhauses.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich Ihnen glaube.«
Greta Anderson wusste nicht, was sie sagen sollte. Da ihr nichts einfiel, hielt sie den Mund und schaute zu Boden.
Suko überlegte weiter. Amber hatte lange gewartet, bis sie sich bemerkbar gemacht hatte. Dann war sie an ihren Stiefbruder herangetreten. Sie hatte sich ihm gegenüber offenbart und ihn als einen Verbündeten gewonnen. So konnte sie die Gesetze der Hölle einsetzen und hatte ihren Stiefbruder zum Doppelmord angestiftet. Sie selbst war dann im Knast erschienen, um ihre Stärke zu beweisen.
Deshalb hatte auch dieser Jack Daniels sein Leben verloren. Eine bessere Tarnung, als hier im Frauenhaus zu arbeiten, gab es für sie kaum. Doch keine der Frauen ahnte, in welcher Gefahr sie schwebte, auch Greta Anderson nicht.
Sie war noch immer fassungslos, obwohl sie die ganze Wahrheit nicht kannte.
»Wann kehrt Amber zurück?« fragte Suko.
»Das weiß ich auch nicht so genau. Sie hat keine Uhrzeit gesagt. Ich nehme an, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit wieder hier ist. Sie ist schon seit dem Morgen unterwegs.«
»Dann werde ich warten.«
»Und was ist mit Ihren Kollegen und mit Ambers Stiefbruder, wenn sie kommen?«
»Auch sie werden warten.«
Die Frau zuckte die Achseln. Sie sprach davon, dass sie sich unwohl fühlte. Der Anblick des Bildes jagte ihr Angst ein. Suko konnte es verstehen. So war Greta froh, als er vorschlug, das Zimmer wieder zu verlassen.
Suko wollte im Eingangsbereich warten und noch seinen Freund John Sinclair anrufen, der sicherlich erfreut sein würde, wenn er die Neuigkeiten erfahren würde.
»Sagen Sie mir bitte eines«, flüsterte die Frau, als sie das Zimmer verlassen hatten und durch den Flur gingen. »Ist Amber Mills in Ihren Augen eine Verbrecherin?«
»Nein.«
»Aber Sie sind doch ihretwegen gekommen!«
Suko behielt die Ruhe. »Das ist schon richtig, Mrs. Anderson. Aber als eine normale Verbrecherin können Sie Amber Mills wahrlich nicht betrachten.«
»Was ist sie dann für Sie?«
Suko wiegte den Kopf. »Sagen wir so, Mrs. Anderson. Ihr Dasein hebt sich schon von den anderen ab. Es geht in eine bestimmte Richtung, das wollen wir nicht vergessen. Es ist auch mit dem normalen Verstand nicht zu begreifen. Manchmal muss man eben etwas akzeptieren, ohne groß nachzufragen. Das ist bei Amber der Fall. Nehmen Sie es einfach hin. Fragen Sie nicht nach, was immer Sie auch hier noch sehen werden. Sie können es nicht ändern und werden es auch nicht verstehen. Das sage ich nicht, um Sie zu diskriminieren.«
»Seltsam, Inspektor, ich glaube Ihnen. Sie strahlen eine Ruhe aus, wie man
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