1193 - Gestern ist heute
Entkommen hinderte, indem er das Tor sofort wieder schloß.
Der Medo-Posbi verhielt vor G'irp und ließ seine Tentakel mehrmals über dessen gekrümmten Leib wandern. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, daß oben auf dem Podest der Oxtorner auf den günstigsten Moment zum Absprung lauerte.
„Wenn ihr schon zu dritt kommt", sagte ich zu dem Roboter, „warum kümmert sich dann nur einer um den Kranken?"
Es war als Warnung an Dove gedacht. Er sollte wissen, wie die Aussichten standen.
„Fragen dieser Art beantworte ich nicht", entgegnete der Posbi.
„Was fehlt deinem Freund?"
„Woher soll ich das wissen?" regte ich mich auf. „Ich bin kein Mediziner. Was taugst du, wenn du nicht einmal feststellen kannst, woran er leidet?"
G'irp untermalte meine Worte durch mitleiderregendes Stöhnen.
„Eine Diagnose ist mir nicht möglich", verkündete die Maschine, während sie die Tentakel zurückzog. „Ich sage dir, woran er leidet: an Einbildung."
Jetzt wurde es kritisch. Niemand wußte, wie die Posbis reagieren würden, wenn sie unseren Bluff erst endgültig durchschauten.
Geschah dies, bevor Dove den Sprung gewagt hatte, waren wir des Überraschungseffekts beraubt.
„Einbildung?" rief ich und deutete in einer dramatischen Geste auf den Blue. „Seit Stunden leidet unser Freund an elenden Qualen, und du redest von Einbildung? Ich fürchte eher, deine Instrumente sind defekt."
„Sie sind funktionstüchtig. Wie du weißt, kann Einbildung eine ganze Reihe tatsächlicher Beschwerden auslösen. Es mag sein, daß er leidet. Aber seine Krankheit hat keine organische Ursache."
„Ach, hat sie nicht?" Ich stampfte theatralisch durch den Raum und hieb mit der flachen Hand gegen die Stelle der Wand, hinter der sich die Nische befand. „Euer Fraß ist es, der ihn krank macht. Die rote Brühe, die ihr uns vorsetzt."
„Seid ihr wahres Leben?"
Ich fuhr erschrocken zusammen. Die Frage überraschte mich.
Welche Bedeutung hatte sie in diesem Zusammenhang?
„J...ja!"
„Kannst du es beweisen?"
Einen Moment starrte ich ihn stumm an. Dann versuchte ich mein Glück.
„Natürlich. Wir sind organisch, aus Fleisch und Blut. Wir nehmen Nahrung zu uns und scheiden sie aus. Wir denken und handeln ..."
„Alles keine Beweise", unterbrach er mich. „Ihr seid nicht wahres Leben! Folglich kann die Verpflegung, die wir euch reichen, auch nicht schaden."
Welch ein verschrobenes Argument. Unwillkürlich ballte ich wütend die Fäuste, und es frage mich bitte niemand, was ich getan hätte ... wenn Stalion Dove nicht in diesem Moment gesprungen wäre.
Wie ein düsterer Schatten huschte er durch die Luft und prallte auf den Posbi herab. Beinahe gleichzeitig kam auch der Gataser wieder auf die Beine. Wieselflink und mit einer Geschicklichkeit, die ich ihm nie zugetraut hätte, hastete er auf das offene Tor zu und warf sich in den Spalt, den die Wächter frei ließen. Die beiden Roboter reagierten zu träge, um ihn aufzuhalten. Er stolperte nach vorn und war im nächsten Moment aus meinem Blickfeld verschwunden.
Stalion Dove setzte alle Kraft ein, die ihm zur Verfügung stand, um den Medo-Posbi anzuheben und gegen die Wand zu schleudern.
Aber er schien zu merken, daß es ihm nicht gelingen würde.
„Lauf!" schrie er mir zu, während er einen peitschenden Tentakel abwehrte. „Lauf doch!"
Ich sah, wie sich die Tentakel um seinen Körper schlössen.
Unerbittlich hielten sie ihn fest. Wie stählerne Klammern preßten sie ihm die Arme gegen den Leib und schnürten seinen Bewegungsspielraum so weit ein, daß er gerade noch zu atmen imstande war.
Sollte ich unter diesen Umständen die Flucht noch wagen?
Natürlich! Wenn überhaupt, dann konnte ich ihm nur von außen helfen. Ich spurtete los, in der Hoffnung, es G'irp gleichtun zu können. Mittlerweile jedoch waren die Posbis am Eingang wachsamer. Einer von ihnen raste mir entgegen. Ich reagierte zu spät. Heftiger Schmerz durchzuckte mich, als ich mit ihm zusammenstieß. Ich fühlte mich zurückgeschleudert und prallte hart zu Boden. Vom Korridor drang das trockene Knallen von Lähmstrahlern herein.
Hastig zappelte ich mich auf. Tief in mir spürte ich den drängenden Impuls, aufs Ganze zu gehen, alles zu riskieren. Der Anblick der am Ausgang wartenden, wuchtigen Maschinen bremste mich. Ich bebte, als ich. mir meiner Machtlosigkeit bewußt wurde. Ich hatte nicht die geringste Chance, ebensowenig wie meine Freunde.
Der Medo-Posbi rollte seitwärts zu einer der Längswände. Dort
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