1197 - Unhold in der Nacht
vergangenen Nacht fast ihr Leben verloren hätte. Als Andenken stand noch ihr Auto dort. Kelly spürte den kalten Schauer auf dem Rücken. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und sie fragte sich wieder mal, in welch eine Lage sie da hineingeraten war. Damals die Sache in Atlantis und jetzt der Fall mit einem Werwolf. Noch vor einem Jahr hätte sie nie daran gedacht, dass es so etwas überhaupt geben könnte.
Aber es stimmte alles…
Sie wollte nicht mehr an die nächtliche Szene denken, obwohl sie sie auch nicht aus der Erinnerung verbannen konnte. Hier lief alles anders ab. Das normale Leben stand außen vor, auch wenn sie sich mitten darin bewegte.
Hier in der Nähe war er erschienen, und hier in der Nähe musste er auch sein Versteck haben. Versteckt hätte auch sie sich gern. Allerdings nicht so sehr vor dem Werwolf oder welchem Monstrum auch immer, ihr war John Sinclair wichtiger. Er sollte auf keinen Fall mitbekommen, dass sie sich in der Nähe bewegte. Er hätte sich wahrscheinlich wahnsinnige Sorgen um sie gemacht.
Der Killer konnte sein Versteck überall gefunden haben. In dieser Umgebung hatte er die Qual der Wahl, aber die Fotografin ging von einer bestimmten Voraussetzung aus. Wenn sich irgendwo jemand verbarg, dann wollte er so wenig wie möglich ein Risiko eingehen. Dann suchte er sich ein Versteck, in dem er sicher sein konnte. Das würde er nicht in der Straße finden, in der der Überfall stattgefunden hatte. Dafür gab es ein besseres Gelände.
Kelly wusste Bescheid. Es war nicht weit bis zu den ehemaligen Fabrikgebäuden, die seit einer gewissen Zeit anderweitig genutzt wurden. Man hatte sie Künstlern und auch High-Tech-Freaks zur Verfügung gestellt. Die jungen Leute waren es gewohnt, sich eine eigene Welt zu erschaffen, und so hatten sie die Hallen für ihre Zwecke entsprechend umgebaut.
Mit ihr zusammen fuhr auch ein kleiner Transporter auf das Gelände. Ein uralter VW-Bully, der außen mit bunten Farben bemalt war. Die beiden jungen Leute vorn grinsten sie an, sie lächelte zurück und ließ den Wagen fahren.
Aber sie beobachtete ihn. Er wurde dort geparkt, wo auch andere Fahrzeuge standen. Unter anderem erkannte sie den Wagen eines gewissen John Sinclairs.
»Er ist schon hier«, murmelte sie und bekam sogar einen roten Kopf, weil sie plötzlich nicht mehr weiterwusste. Auch wenn sie ihn jetzt nicht sah, er konnte ihr im nächsten Moment über den Weg laufen. Ihre Instrumente ließ sie noch im Rucksack. So gut wie möglich blickte sich Kelly um und beobachtete auch den alten Übergang zwischen zwei Fabrikgebäuden. Ein Mann war damit beschäftigt, Bretter von einem Gebäude ins andere zu schaffen. Er hatte sich die Dinger über die Schulter gelegt und hielt sie mit einer Hand fest.
Sie ging mit schnellen Schritten weiter und suchte sich dabei die nächstbeste Tür aus, die offen stand.
Eine hohe Halle schluckte sie.
Auch sie war belegt, aber man arbeitete nicht in der Halle. Um alte Treppen herum waren neue Wände gezogen worden, aber es gab auch noch die alten Zugänge. Stufen aus Metall, die sich im Zickzack in die Höhe zogen. Die früheren Rohre waren nicht abgerissen worden. Es gab noch Podeste aus Beton und an einigen Stellen Löcher im Boden und in den Wänden, aus denen Kabel oder andere Verbindungen herausgerissen worden waren.
Kelly O'Brien überlegte, ob es sich lohnte, die Kamera oder den Camcorder zu zücken. Sie entschied sich dagegen. Was es hier aufzunehmen gab, konnte man vergessen.
Allerdings holte sie den Camcorder aus dem Rucksack. Sie hängte ihn über die Schulter, um ihn schnell griffbereit zu haben.
Langsam ging sie durch die Halle. Es war nicht ihre Welt. Eine graue Düsternis hielt sie umfangen, und manchmal wurde sie an ihr Abenteuer in Atlantis erinnert. Auch dort hatten Ike Cameron und sie sich in einer feindlichen Umwelt aufgehalten. Aber in Atlantis waren die Feinde zu sehen gewesen. Hier hielten sie sich zurück. Wenn überhaupt, dann würde sie nur von einem angegriffen werden. Der jedoch hatte es in sich.
Das Bild konnte sie einfach nicht vergessen. Es war so ungeheuerlich. Es hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Ein Schatten in der Nacht, ein Killer, der kein Mensch war.
In dieser Fabrikhalle sah sie nichts. Es war nicht zu sehen, dass sie bewohnt war. Der Teil war durch die neu hochgezogenen Mauern abgetrennt worden. Manchmal hörte sie Geräusche, die ihr schon ungewöhnlich vorkamen. Da knirschte das Metall, wenn sich die alten Stufen
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