1198 - Varunas Hexenreich
gehörte nicht mehr ihr, sondern Kelly. Sie hielt es in der rechten Hand. Eine leicht gekrümmte Klinge schimmerte im türkisfarbenen Licht. Sie wies noch zu Boden und hatte sich kein Ziel ausgesucht. Aber Kelly bewegte den Kopf. Es war die einzige Regung, die wir bei ihr wahrnahmen.
»Sie will es zu Ende bringen, John!«, flüsterte Suko mir zu. »Nur so kann sie die absolute Stärke erringen. Alles andere kannst du abhaken. Ich denke, dass es Varuna geschafft hat, ihr noch ein letztes Mal zu entkommen, aber jetzt nicht mehr. Sie hat ihr die Kraft genommen. Und ich bin sicher, dass Kelly die Frau später als Mumie zurücklassen wird. So und nicht anders sehe ich das. Auch wenn Varuna sich selbst das Kuckucksei ins Nest gelegt hat.«
Ich widersprach ihm nicht. Hier herrschten andere Regeln und Gesetze. Varuna hatte ihr kleines Hexenreich aufgebaut und sich auf zwei Magien verlassen. Dass sie dabei zwischen die Fronten geraten war, damit hatte sie nicht gerechnet.
Ich hatte mich wieder gefangen und war gespannt, wie sich die beiden Frauen verhalten würden.
Dass Tote wieder zurückkehrten, hatten Suko und ich schon öfter erlebt. Unsere Erfahrungen mit lebenden Leichen waren nicht ohne. Aber Kelly O'Brian war keiner dieser tumben Zombies, sie lebte auf ihre Art und Weise, sie war geimpft worden, und sie hatte einen Auftrag zu erledigen.
Es war wie beim Highlander.
Auch hier konnte es nur eine geben!
Es war nicht viel Zeit seit ihrem Erscheinen verstrichen. Auch Varuna bekam die Veränderung mit.
Wir hörten ihr Stöhnen, schauten zu ihr und sahen, wie sie versuchte, sich zu erheben.
Sie sah nicht nur alt aus, sie reagierte auch wie eine alte Frau, denn es bereitete ihr ungeheure Mühe, sich vom Boden aufzustemmen.
Sie hatte sich mit beiden Händen aufgestützt. Trotzdem schwankte sie. Dann gab sie sich selbst den nötigen Schwung, kam auch hoch und hatte Glück, dass sie nicht wieder zusammenfiel.
Schwankend stand sie auf der Stelle. Ihren Oberkörper hielt sie nur mühsam im Gleichgewicht. Uns hatte sie vergessen. Ihr Blick galt einzig und allein der ehemaligen Partnerin.
Jetzt standen sich zwei Feindinnen gegenüber.
Wir irrten uns. Sie verließ die magische Zone nicht. Wie ein Denkmal stand sie dort und hielt ihr Opfermesser fest. Mit der linken Hand winkte sie Varuna zu.
Die Heidin sah es, und in ihrem alten Gesicht zuckte es. Sie versuchte, sich dagegenzustemmen, sie streckte die Arme in einer Abwehrbewegung vor. Sie wollte nicht hingehen, aber die Kraft der anderen war stärker.
Mit müden Schritten und schwankenden Bewegungen setzte sich die. »alte« Frau in Bewegung. Sie ging gebückt. Den Blick hielt sie zu Boden gerichtet. Die Schuhe schlurften über den Boden. Das lange Haar stand an den Seiten ab. Seine dünnen Strähnen wirkten dort wie Spinnenbeine.
»Ich denke, Kelly kann die Opferstätte nicht verlassen«, sagte Suko leise zu mir. »Ihr fehlt noch der letzte Rest an Kraft. Den wird sie sich holen. Noch mal entkommt ihr Varuna nicht.«
»Kann sein. Aber wir werden es nicht dazu kommen lassen.«
»Dafür bin ich auch. Was willst du tun?«
»Schießen.«
»Es wäre einen Versuch wert.«
Suko blickte mich skeptisch an, holte aber seine Beretta hervor. Ehe ich etwas sagen konnte, hatte er angelegt, kurz gezielt, und dann drückte er ab.
Die Kugel fegte auf Kelly O'Brian zu und hätte sie in die Brust getroffen, doch das passierte nicht.
Sie musste den magischen Ring passieren, und der war stärker als sie.
Plötzlich glühte sie auf, als sie den Rand erreicht hatte. Nur das Echo des Schusses hing noch in der Luft, als wäre es vom Nebel festgehalten worden.
»Zu stark.«
»Hatte ich mir gedacht«, sagte ich und brauchte nur an mein Kreuz und dessen Verhalten zu denken.
Varuna hatte sich von dem Schuss nicht mal irritieren lassen. Sie setzte den Weg wie an der Schnur gezogen fort und hatte sich sogar wieder gefangen, denn ihre Schritte waren sicherer geworden.
»Dann wollen wir mal«, sagte Suko.
Um mich kümmerte er sich nicht. Ich blieb noch stehen und schaute auf den Rücken meines Freundes, der die Entfernung zwischen sich und Varuna so rasch wie möglich überbrückte.
Es sah so einfach aus. Ich hielt mich zurück und bewegte mich erst, als Suko die Hexe an den Schultern packte und zurückzerrte.
Ich behielt dabei Kelly O'Brian im Auge, weil ich noch immer damit rechnete, dass sie den Kreis verlassen würde.
»Nein, Sie müssen mich lassen!«, protestierte Varuna mit
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