1199 - In den Klauen des Ghouls
gelassen werden.«
»Wo wohnen Sie?« fragte Suko.
»Das geht dich einen Scheißdreck an, Bulle!«
»Wo?«
Der Wirt meldete sich. Er setzte lieber auf Zusammenarbeit. »Sie wohnt nicht weit von hier. Fast noch auf dem Gelände. Kennen Sie das schiefe Haus auf dem Grundstück?«
»Wir haben es gesehen.«
»Da lebt sie.«
»Sehr gut, danke. Allein?«
»Halt dein Maul, Dorsey!« schrie die Brown ihn an. »Was geht die Bullen mein Privatleben an?«
»Ich will keinen Ärger.«
»Trotzdem?«
»Wie war das noch?« fragte ich.
Dorsey zuckte mit den Schultern. »Angeblich lebt sie da nicht allein, sondern mit ihrem Sohn zusammen. Den hat aber kein Schwein bisher gesehen. Selbst ich nicht.« Er deutete mit dem Finger auf Betty. »Sie redet nur immer davon. Ob es stimmt, kann ich nicht sagen. Gezeigt jedenfalls hat sie ihn noch nicht. Er ist auch nie mit in meine Kneipe gekommen. Das wird Betty Ihnen ja selbst sagen können.«
»Danke.«
»Dann können wir ja gehen«, sagte Suko und legte der Frau seine rechte Hand auf die Schulter.
Betty wurde klein. »Wohin denn?«, raunte sie.
»Zu Ihnen nach Hause. Wir sind wirklich scharf darauf, Ihrem Sprössling unter die Augen zu treten. Er muss ja etwas ganz Besonderes sein, wenn Sie ihn nicht herzeigen. Bestimmt ein wahres Prachtexemplar, kann ich mir denken.«
Sie versuchte es noch mal. »Ihr könnt mich nicht verhaften, verdammt. Ich habe nichts getan.«
»Das wissen wir doch. Aber wir haben den begründeten Verdacht, dass Sie uns zu unserer Kollegin führen können. Mehr möchten wir gar nicht, Mrs. Brown.«
Für einen Moment sah sie aus wie vereist. »K… Kollegin?« fragte sie flüsternd.
»Ja. Glenda Perkins ist eine Kollegin von uns. Haben Sie das nicht gewusst?«
Sie schwieg. Dafür antwortete Dorsey. »Das ist mir auch neu«, gab er zu.
»Dann wissen Sie es jetzt. Sie können sich bestimmt vorstellen, dass wir in Sorge sind.«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Das nächste Bier können Sie bei sich zu Hause trinken«, sagte ich. »Gehen wir!«
Sie wollte nicht, aber Suko drehte sie herum, und er ließ sie auch nicht los, als sie zur Tür gingen.
Ich zahlte die kleine Zeche und folgte den beiden. Draußen holte ich sie ein. Hier war die Luft zwar besser als in der Kneipe, aber der Modergestank war nicht restlos verflogen.
»Den Weg brauchen Sie uns nicht zu zeigen, Mrs. Brown, wir kennen ihn bereits.«
Diesmal durchschritten wir zu dritt die schmale Gasse. Bisher war alles gut gelaufen, dennoch malte sich bei mir die Vorstellung immer breiter aus, dass wir zu spät kamen. Glenda in den Klauen eines Ghouls, das war mehr als ich verkraftete. Es war einfach zu viel Zeit verstrichen. Er hätte wer weiß was mit ihr anstellen können. Und ich Idiot hatte im Büro geschlafen!
Als ich daran dachte, stieg mir das Blut ins Gesicht.
Am Ende der Gasse blieben wir stehen. Das Bild auf dem Gelände hatte sich nicht verändert. Es sah alles recht harmlos aus, aber das windschiefe Haus sah ich jetzt mit anderen Augen an. Es kam mir plötzlich bedrohlich und unheimlich vor, und ich merkte, dass sich mein Herzschlag beschleunigt hatte.
Betty Brown setzte uns passiven Widerstand entgegen. Suko musste sie schon drängen, damit sie so schnell ging, wie er es wollte. Um uns herum ging die Arbeit weiter. Das Leben nahm seinen normalen Gang. Es war auch für mich schwer vorstellbar, dass in dieser Umgebung ein Ghoul, ein Leichenfresser, existierte.
Vor der schmalen Haustür blieben wir stehen. Der Geruch war nach wie vor da, aber nur die Kleidung der Frau strömte ihn ab. Das Haus blieb völlig normal.
»Öffnen Sie!«
»Ich habe keinen Schlüssel!«
Suko wurde sauer. Ziemlich ruppig durchsuchte er ihre Manteltaschen und fand den Schlüssel schon beim ersten Griff. »Was ist das?«
»Ach, habe ich vergessen.«
»Klar.«
Während Suko aufschloss, kümmerte ich mich um Betty Brown. Ich hielt sie fest. Unter meiner Haut spürte ich den Stoff des Mantels. Er kam mir feucht vor, als hätte sich dort etwas eingenistet.
Suko stieß die Tür auf.
Wir schauten in einen leeren Flur, den mein Freund als Erster betrat.
Ich schob Betty nach und ließ sie auch nicht los, als ich mich im Haus befand.
Der Gestank war da. Und wie! Er floss uns entgegen, er war wie ein nicht sichtbarer Strom, der alles umhüllte, was sich in seiner Nähe befand.
Ich hatte das Gefühl, einen Schlag gegen das Gesicht zu bekommen. Für einen Moment wurde mir sogar schwindlig.
Das gesamte Haus musste
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