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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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beherrschen würde. Er betete sogar gelegentlich, um diese Form nicht ganz aus dem Blick zu verlieren – vor allem dann, wenn er sich mit seinen »Vorgesetzten« traf. Im Grunde bestimmte jedoch er, der Operationsleiter, den Kurs, auf dem die Organisation jene Hindernisse umschiff-te, die die Götzendiener des Westens ihr in den Weg legten, und nicht seine »Vorgesetzten«. Und indem er das tat, be-einflusste er auch die Art ihrer Strategie, die aus ihren religiösen Überzeugungen entsprang. Die wiederum waren von der politischen Sphäre aus, in der sie operierten, leicht zu lenken. Im Endeffekt bestimmte ohnehin der Feind die Strategie, denn allein dessen Strategie galt es zu durchkreuzen. Die Amerikaner würden nun also das Fürchten lernen wie nie zuvor. Nicht die Zentren ihrer politischen oder finanziellen Macht waren gefährdet, sondern das Leben jedes Einzelnen. Man hatte die Mission von Anfang an darauf ausgerichtet, hauptsächlich Frauen und Kinder zu töten, den kostbarsten und verwundbarsten Teil jeder Gesellschaft.
    Dieses Ziel war nun erreicht. Mohammed schraubte den Deckel von einem weiteren Cognacfläschchen.
    Später würde er per Notebook die Berichte seiner Untergebenen vor Ort abrufen. Er wollte einen seiner Banker anweisen, etwas mehr Geld auf sein Konto in Liechtenstein zu transferieren. Das Guthaben auf diesem Konto durfte nicht ausgeschöpft werden. Wenn das geschähe, würde man die Visa-Konten auflösen, und sie verschwänden für immer. Dann könnte die Polizei ihm auf die Spur kommen, seinen Namen herausfinden und möglicherweise sogar Fotos in die Hände kriegen. Das durfte nicht geschehen. Er würde noch ein paar Tage in Wien bleiben und dann für eine Woche nach Hause zurückkehren, um sich mit seinen 372

    Vorgesetzten zu treffen und zukünftige Operationen zu planen. Der errungene Sieg verschaffte ihm auf jeden Fall mehr Gehör. Seine Allianz mit den Kolumbianern hatte sich entgegen ihrer Bedenken ausgezahlt, und er ritt auf dem Kamm der Erfolgswelle. Noch ein paar Nächte feiern, dann war er bereit, in das weniger rege Nachtleben seiner Heimat einzutauchen, das hauptsächlich aus Kaffee- oder Teetrin-ken und aus Gesprächen bestand – endlosen Gesprächen.
    Niemals Aktionen. Aber nur durch Aktionen konnte er die Ziele erreichen, die seine Vorgesetzten ihm steckten… und die er selbst sich steckte.
    »Mein Gott, Pablo!« Ernesto schaltete den Fernseher aus.
    »Ich bitte Sie, so überraschend ist das doch nicht«, erwiderte Pablo. »Sie haben wohl kaum damit gerechnet, dass sie einen Stand aufbauen würden, um zugunsten der weiblichen Pfadfinderjugend Kekse zu verkaufen.«
    »Nein, aber so etwas?«
    »Darum nennt man diese Leute Terroristen, Ernesto. Sie töten ohne Vorwarnung, und zwar wehrlose Menschen.«
    Das Fernsehen hatte ausgiebig aus Colorado Springs berichtet, wo die Fahrzeuge der Nationalgarde einen dramati-schen Hintergrund lieferten. Die uniformierten Zivilisten dort hatten sogar zwei der toten Terroristen ins Freie ge-zerrt – unter dem Vorwand, den Bereich räumen zu müssen, in dem die Rauchbomben ein paar Brände ausgelöst hatten. In Wirklichkeit aber wollten sie natürlich die Leichen zur Schau stellen. Das kolumbianische Militär verhielt sich da oftmals nicht anders und fand ebenfalls Geschmack an solchen Szenen. Angeberische Soldaten. Nun, taten nicht die sicanos, die Profikiller des Kartells, oft genug das Gleiche? Ein Vergleich, den Ernesto allerdings nicht aussprach.
    Er legte Wert darauf, sich als »Geschäftsmann« zu geben, nicht als Drogendealer oder Terrorist. Im Spiegel sah Ernesto einen Mann, der der Öffentlichkeit eine kostbare Ware lieferte und wertvolle Dienste leistete, für die er bezahlt 373

    wurde und die er schützen musste, indem er Maßnahmen gegen die Konkurrenz ergriff.
    »Aber wie wird der norteamericano reagieren?«, fragte Ernesto in den Raum hinein.
    »Sie werden ein großes Spektakel um die Sache veranstal-ten und Ermittlungen anstellen wie bei jedem gewöhnlichen Mord. Das eine oder andere werden sie herausfinden, das meiste jedoch nicht – und wir haben ein neues Ver-triebsnetz in Europa«, erinnerte er seinen Boss, »womit unser Ziel erreicht wäre.«
    »Ich hatte nicht mit einem derart spektakulären Verbrechen gerechnet, Pablo.«
    »Aber das haben wir doch alles schon durchgesprochen«, erwiderte Pablo mit äußerster Ruhe. »Sie waren darauf aus, eine spektakuläre Demonstration abzuhalten« – er vermied wohlweislich das

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