12 - Im Auge des Tigers
besonders gern gesehen, und Nahkampf ist zu gefährlich. Wir machen es so, dass es aussieht, als hätte der Betreffende gerade einen Herzinfarkt gehabt.«
»Rückstände?«, fragte Dominic.
»Das können Sie Rick fragen. Er wird Ihnen alles genau-estens erklären.«
»Und wie bringen wir das Mittel in die Zielperson?«
»Mit einem von denen da.« Granger öffnete seine Schreib-tischschublade und nahm den ›harmlosen‹ blauen Stift heraus. Er reichte ihn den Zwillingen und erklärte ihnen, wie er funktionierte.
»Süß«, sagte Brian. »Man piekst jemandem einfach damit in den Hintern?«
»Ganz genau. Der Stift injiziert sieben Milligramm des Wirkstoffs – er heißt Succinylcholin –, und damit hat es sich 426
auch schon. Die Zielperson bricht zusammen, ist in ein paar Minuten hirntot und in weniger als zehn Minuten ganz tot.«
»Was ist, wenn der Betreffende sofort ärztlich behandelt wird? Wenn zum Beispiel zufällig gerade ein Krankenwagen in der Nähe ist?«
»Rick zufolge würde das keine Rolle spielen – das Opfer müsste quasi schon im OP liegen, und die Ärzte müssten bereit stehen, sonst ist nichts zu machen.«
»Klingt gut.« Brian griff nach dem Foto ihrer ersten Zielperson und betrachtete es, aber in Wirklichkeit sah er nur den kleinen David Prentiss vor sich. »Pech gehabt, Freundchen.«
»Aha, unser Freund hatte also ein nettes Wochenende«, sagte Jack zu seinem Computer. Der Tagesbericht enthielt das Foto einer gewissen Miss Mandy Davis sowie eine Nie-derschrift ihres Gesprächs mit der Special Branch der Metropolitan Police. »Sieht richtig klasse aus.«
»Ist aber auch nicht billig«, bemerkte Wills, der ebenfalls an seiner Workstation saß.
»Wie lange hat bin Sali noch zu leben?«, fragte Jack.
»Über so was sollte man besser keine Spekulationen anstellen, Jack«, warnte Wills.
»Ich mein ja nur – die zwei Attentäter sind nämlich Cousins von mir, Tony.«
»Davon weiß ich nichts, und ich will auch gar nichts dar-
über hören. Je weniger wir wissen, desto weniger Probleme können wir bekommen. Basta«, erklärte er mit Nachdruck.
»Wenn Sie es sagen«, entgegnete Jack. »Von mir hat dieses Schwein jedenfalls keine Sympathie mehr zu erwarten.
Schwerbewaffnete Killer zu finanzieren und anschließend noch zu applaudieren… Es gibt Grenzen, die man einfach nicht überschreiten darf.«
»Die gibt es allerdings, Jack. Aber passen auch Sie auf, dass Sie nicht zu weit gehen.«
427
Darüber dachte Jack Ryan jr. kurz nach. Könnte er ein Attentat begehen? Wahrscheinlich nicht, aber es gab Leute, die umgebracht gehörten, und Uda bin Sali zählte mittlerweile dazu. Wenn seine Cousins ihn unschädlich machten, wäre das ein Dienst am Herrn – oder am Vaterland, was Jacks Erziehung zufolge mehr oder weniger auf das Gleiche hi-nauslief.
»So schnell, Doc?«, fragte Dominic.
Pasternak nickte. »So schnell.«
»So zuverlässig?«, erkundigte sich Brian als Nächstes.
»Fünf Milligramm reichen aus. Dieser Stift injiziert sieben.
Es wäre ein Wunder, wenn jemand das überlebte. Leider ist diese Todesart sehr unangenehm, aber das lässt sich nicht ändern. Ich meine, wir könnten auch Botulm-Toxin verwenden – das ist ein sehr schnell wirkendes Nervengift –, aber es hinterlässt im Blut Rückstände, die bei einer toxikologischen Untersuchung nachgewiesen werden könnten.
Succinylcholin dagegen metabolisiert sehr gut. Um es zu entdecken, wäre ein weiteres Wunder nötig, es sei denn, der Pathologe wüsste ganz genau, wonach er suchen muss –
was sehr unwahrscheinlich ist.«
»Wie läuft das genau ab?«
»Je nachdem, wie groß die Entfernung zwischen der Einstichstelle und dem nächsten größeren Blutgefäß ist, be-wirkt das Gift nach zwanzig bis dreißig Sekunden eine vollständige Lähmung. Das Opfer kann nicht einmal mehr mit den Augen blinzeln. Es ist nicht mehr in der Lage, sein Zwerchfell zu bewegen. Die Atmung setzt aus, und die Lunge kann keinen Sauerstoff mehr aufnehmen. Das Herz schlägt zwar noch weiter, aber da es das Organ ist, das den meisten Sauerstoff verbraucht, wird es in wenigen Sekunden ischämisch. Das heißt, aufgrund des Sauerstoffmangels beginnt das Herzgewebe abzusterben. Das ist mit heftigen Schmerzen verbunden. Normalerweise hat der Körper gewisse Sauerstoffreserven. Wie viel, hängt von der körperli-428
chen Verfassung ab – Fettleibige haben weniger Sauerstoffreserven als Schlanke. Aber in jedem Fall ist das Herz als Erstes vom
Weitere Kostenlose Bücher