12 - Im Auge des Tigers
passierte das Haus des Duke of Wellington, bevor er in die Curzon Street einbog und zum Berkeley Square weiterfuhr. Er betätigte kurz die Lichthupe, um dem Mann, den er dafür bezahlte, seinen Parkplatz freizuhalten, zu signalisieren, dass er wegfahren sollte, sodass Uda direkt vor dem dreistöckigen Stadthaus parken konnte. Ganz voll-endeter Kavalier, stieg er aus und lief um den Wagen herum, um Mandy die Tür zu öffnen. Dann geleitete er sie galant die Treppe zu der großen Eingangstür aus Eichen-holz hinauf und hielt ihr diese lächelnd auf. Schließlich würde sie ihm in wenigen Minuten eine noch schönere Tür öffnen.
»Der kleine Pisser ist zurück«, bemerkte Ernest und notierte auf seinem Klemmbrett die Uhrzeit. Die zwei Beamten des Security Service saßen in einem Lieferwagen der British Telecom, der 50 Meter von Udas Wohnung entfernt am Straßenrand stand. Sie waren seit etwa zwei Stunden auf ihrem Posten. Dieser irre junge Saudi fuhr, als wäre er die Reinkarnation von Jimmy Clark.
»Wetten, dass er übers Wochenende mehr Spaß hatte als wir?«, brummte Peter. Dann wandte er sich ab, um ein paar Knöpfe zu drücken, mit denen sich die verschiedenen Ab-hörsysteme in dem georgianischen Stadthaus einschalten ließen. Dazu gehörten auch drei Kameras, deren Kassetten alle drei Tage von einem Infiltrationsteam abgeholt wurden.
»Ganz schön potent, dieser kleine Drecksack.«
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»Wahrscheinlich nimmt er Viagra«, dachte Ernest laut –
nicht ohne einen Anflug von Neid.
»Sei kein schlechter Verlierer, Ernie. Für das, was die Dame ihm abknöpft, muss unsereins zwei Wochen arbeiten.
Möge sie es mit aufrichtiger Dankbarkeit empfangen.«
»Scheiße«, brummte Ernest säuerlich.
»Sie ist dünn, aber so dünn nun auch wieder nicht, Mann.« Peter lachte in sich hinein. Die beiden wussten, in welcher Größenordnung sich das Honorar von Mandy Davis bewegte, und fragten sich natürlich auch, mit welchen besonderen Dienstleistungen Mandy sich derartige Summen verdienen mochte – wobei sie sie im Grunde verachteten. Als Beamte der Spionageabwehr brachten sie für diese Art des Broterwerbs, dem häufig Frauen ohne richtige Ausbildung nachgingen, weniger Verständnis auf als so mancher altgediente Streifenpolizist. 750 Pfund für einen abend-lichen Besuch und 2 000 Pfund für eine ganze Nacht. Wie hoch ihr Honorar für ein ganzes Wochenende war, wollte niemand wirklich wissen.
Um sicherzugehen, dass die Mikrofone funktionierten, griffen beide nach den Kopfhörern und schalteten von einem Kanal zum anderen, um Uda und Mandy durch das Haus zu verfolgen.
»Hat’s ganz schön eilig, dieser Sack«, stellte Ernest fest.
»Glaubst du, sie bleibt über Nacht?«
»Bestimmt nicht, Ernie. Vielleicht hängt er sich hinterher ans Telefon, und wir kriegen sogar noch irgendwas Brauchbares von dem Mistkerl zu hören.«
»Scheiß Kameltreiber«, brummte Ernest, und sein Partner stimmte ihm insgeheim zu. Beide fanden Mandy hübscher als Rosalie. Eines Ministers würdig.
Sie behielten Recht: Mandy Davis ging um 22.23 Uhr. An der Eingangstür blieb sie noch einmal stehen – Zeit für einen letzten Kuss und ein Lächeln, das jedes Männerherz im Sturm erobern musste –, ehe sie die Berkeley Street in Rich-420
tung Piccadilly entlangstöckelte. Dort bog sie jedoch nicht nach rechts zur U-Bahnstation Piccadilly/Stratton ab, sondern nahm sich ein Taxi, das sie in die Innenstadt zum New Scotland Yard brachte. Dort würde sie einem netten jungen Detective Bericht erstatten, der ihr ziemlich gut gefiel – aber natürlich war sie viel zu professionell, als dass sie Geschäft und Vergnügen durcheinander gebracht hätte. Uda war ein potenter und auch großzügiger Freier, doch wenn sich in ihrer Beziehung irgendjemand irgendwelchen Illusionen hingab, dann war er es, nicht sie.
Die Nummern erschienen auf der LED-Anzeige und wurden zusammen mit dem Zeitpunkt des Anrufs in ihren Notebook-Computern gespeichert – von diesen Geräten gab es zwei und mindestens noch ein weiteres im Thames House.
An jedem von bin Salis Telefonapparaten war ein Steckre-gistriergerät angebracht, das genau festhielt, wen er anrief.
Ein ähnliches Gerät registrierte alle eingehenden Anrufe, wobei drei Tonbandgeräte jedes gesprochene Wort auf-zeichneten. Im Moment fand gerade ein Auslandsgespräch statt. Die angerufene Nummer war die eines Mobiltelefons.
»Er ruft seinen Freund Mohammed an«, sagte Peter. »Mal sehen, worüber sie
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