12 - Im Auge des Tigers
Hardesty – nicht geschickt genug, um restlos glaubhaft zu sein.
»Sie müssen wissen, ich beabsichtige, so lange beim Corps zu bleiben, bis ich es wenigstens zum Lieutenant Colonel gebracht habe.«
»Ihr zuständiger Personaloffzier im Hauptquartier des Marine Corps hält Sie aufgrund Ihrer Beurteilungen für fähig genug, es eines Tages sogar zum Colonel zu bringen, sofern Sie nicht noch über die eigenen Füße stolpern. Damit rechnet zwar niemand ernsthaft, aber es ist schon einer Menge guten Männern passiert.« Hardesty leerte seine Schale Cheerios und widmete sich seinem Kaffee.
»Gut zu wissen, dass ich irgendwo da oben einen Schutz-engel habe«, bemerkte Caruso trocken.
»Wie ich schon sagte – man ist auf Sie aufmerksam geworden. Die Leute beim Marine Corps haben ein Händchen dafür, Talente zu entdecken und zu fördern.«
»Und ein paar andere sind also auch auf mich aufmerksam geworden.«
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»Ganz recht, Captain. Ich kann Ihnen allerdings nur eine Einstiegschance bieten. Bewähren müssen Sie sich dann schon selbst.« Das war eine wohl überlegte Herausforderung. Junge, fähige Männer konnten einer solchen Gelegenheit selten widerstehen. Hardesty wusste, dass er damit gewonnen hatte.
Von Birmingham nach Washington musste man ein ganzes Stück fahren. Dominic Caruso, der eine Abneigung gegen billige Motels hatte, legte die Strecke an einem einzigen Tag zurück. Obwohl er bereits um fünf Uhr früh aufgebrochen war, erreichte er sein Ziel nicht vor dem Abend. Er fuhr einen weißen, viertürigen Mercedes der C-Klasse, ganz ähnlich dem seines Bruders, und hatte den Rücksitz mit Gepäck voll gestellt. Zweimal wäre er beinahe von der Polizei angehalten worden, aber beide Male hatte ein Wink mit seinem FBI-Dienstausweis Wunder gewirkt, und die Polizisten ließen ihn mit einem freundlichen Gruß weiterfahren.
So viel Brüderlichkeit herrschte unter den Gesetzeshütern der unterschiedlichen Behörden allemal, dass man bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ein Auge zudrückte. Um Punkt zehn traf Caruso in Arlington, Virginia, ein, wo er das Gepäck ausladen ließ und mit dem Aufzug zu seinem Zimmer in die dritte Etage fuhr. In der Minibar fand er einen Schluck guten Weißwein, den er sich nach der fälligen Dusche genehmigte. Der Wein und das langweilige Fernsehprogramm machten ihn schläfrig. Er bestellte den Weck-service für sieben Uhr und dämmerte bei laufendem Fernseher ein.
»Guten Morgen«, grüßte Gerry Hendley am nächsten Tag um Viertel vor neun. »Kaffee?«
»Danke, Sir.« Jack nahm sich eine Tasse und setzte sich.
»Danke, dass Sie mich noch einmal zu einem Gespräch eingeladen haben.«
»Nun, wir haben uns einen Überblick über Ihre akademi-97
schen Leistungen verschafft. Sie haben sich in Georgetown ganz gut gemacht.«
»Bei den Gebühren wäre es eine Schande, sich nicht ein bisschen anzustrengen – außerdem war das Studium auch nicht besonders schwer.« John Patrick Ryan jr. nippte an seinem Kaffee und fragte sich, in welche Richtung sich das Gespräch wohl entwickeln würde.
»Wir sind bereit, über einen Einsteigerjob zu sprechen«, teilte ihm der ehemalige Senator geradeheraus mit. Er war nie ein Typ gewesen, der lange um den heißen Brei herum-redete – einer der Gründe dafür, dass er und der Vater seines Besuchers so gut miteinander ausgekommen waren.
»Was genau wäre das für ein Job?«, fragte Jack und blickte ihn aufmerksam an.
»Was wissen Sie über Hendley Associates?«
»Nur das, was ich Ihnen schon gesagt habe.«
»Okay – über das, was ich Ihnen jetzt erzählen werde, dürfen Sie mit niemandem sprechen. Mit absolut niemandem! Haben Sie mich verstanden?«
»Ja, Sir.«
Im selben Moment hatte er verstanden, und zwar gründlich. Verdammt, ich habe tatsächlich richtig gelegen!, schoss es Jack durch den Kopf.
»Ihr Vater war einer meiner engsten Freunde. Ich sage
›war‹, weil wir uns nicht mehr treffen und nur sehr selten miteinander sprechen. Hauptsächlich dann, wenn er hier anruft. Menschen wie Ihr Dad ziehen sich auch im Ruhestand niemals völlig aus ihrem Job zurück. Ihr Vater war einer der besten Geheimagenten aller Zeiten. Er hat ein paar Sachen geleistet, über die es keinerlei Aufzeichnungen gibt
– wenigstens keine offiziellen – und über die es vermutlich auch in Zukunft keine geben wird. Mit ›Zukunft‹ meine ich in diesem Fall so um die fünfzig Jahre. Ihr Vater schreibt an seinen Memoiren. Er verfasst zwei Versionen –
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