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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zeichen, daß sie den Sambuk anzureden gedächten. Der Steuermann ließ das Segel abfallen und hemmte so den Lauf unseres Fahrzeuges. Einer der beiden Ruderer erhob sich und rief:
    „Sambuk, wohin?“
    „Nach Tor.“
    „Wir auch. Wollt ihr uns mitnehmen?“
    „Bezahlt ihr?“
    „Gern.“
    „So kommt an Bord.“
    Das Schiff legte bei, und die vier Personen stiegen an Bord, während das Boot ins Schlepptau genommen wurde. Dann setzte der Sambuk seine Fahrt fort.
    Der Wergi-Baschi begab sich in die Kajüte, jedenfalls um für die Frauen Platz zu machen; dann wurden dieselben den Blicken der Männer entzogen. Sie mußten an mir vorüber. Als Europäer brauchte ich mich nicht abzuwenden, und so bemerkte ich zu meiner Verwunderung, daß keine Atmosphäre von Parfüm sie umgab; denn die Frauen des Morgenlandes pflegen sich so zu parfümieren, daß man den Geruch bereits aus einer beträchtlichen Entfernung verspürt. Ein Odeur allerdings fiel mir auf, ein Odeur, der sich wie ein unsichtbarer Schweif hinter ihnen herzog, nämlich jener jedem Orientalen bekannte Geruch, welcher halb vom Kamel und halb von dem unfermentierten Rasr-Tabak stammt, den viele Beduinen zu rauchen pflegen, und welcher auf die Geruchs- und Geschmacksnerven ganz dieselbe Wirkung hat wie weiland der Inhalt der französischen Seegrasmatratzen, den aus Mangel an Besserem während des letzten Krieges so mancher deutsche Held in seine Pfeife stopfte. Ich empfand ganz den Eindruck, als seien zwei Kameltreiber an mir vorübergegangen; wenigstens war es gewiß, daß der berühmte persische Dichter Hafis Schems-ed-Din Mohammed auf diese beiden Grazien nicht seine Verse:
    „Wenn deiner Locken Wohlgerüche
Ums Grab mir wehn,
Dann sprießen tausend Blumen
Aus meinem Hügel auf –“
    gesungen hätte. Ich sah ihnen auch sehr aufmerksam nach, bis sie hinter der Tür des Verschlages verschwunden waren, konnte aber weiter nichts Besonderes bemerken. Vielleicht hatten sie eine lange Kamelreise hinter sich, so daß die Ausdünstungen des ‚Wüstenschiffes‘ nicht leicht aus ihren Kleidern zu bringen waren.
    Ihre beiden Begleiter sprachen erst längere Zeit mit dem Steuermann und dem Baschi; dann suchte der eine mich zu entern.
    „Ich höre, daß du ein Franke bist, Effendi?“ fragte er mich.
    „Ja.“
    „So bist du hier unbekannt?“
    „Ja.“
    „Du bist ein Nemtsche?“
    „Ja.“
    „Haben die Nemsi auch einen Padischah?“
    „Ja.“
    „Und Paschas?“
    „Ja.“
    „Du bist wohl kein Pascha?“
    „Nein.“
    „Aber ein berühmter Mann?“
    „Pek, billahi – bei Gott, sehr!“
    „Du kannst schreiben?“
    „Peh ne güzel – und wie schön!“
    „Auch schießen?“
    „Daha ei – noch besser!“
    „Du wirst wohl mit diesem Sambuk nach Tor fahren?“
    „Ja.“
    „Du gehst noch weiter nach dem Süden?“
    „Ja.“
    „Bist du mit den Ingli bekannt?“
    „Ja.“
    „Hast du Freunde unter ihnen?“
    „Ja.“
    „Das ist sehr gut. Bist du stark?“
    „Korkulu – fürchterlich, arslandscha – wie ein Löwe! Soll ich es dir beweisen?“
    „Nein, Effendi.“
    „Und doch, denn deine Neugierde ist größer als die Geduld eines Menschen sein kann. Packe dich und komme nicht wieder!“
    Ich faßte ihn, drehte ihn in die passende Richtung und gab ihm einen Stoß, daß er weit über das Deck hin schoß und dann dasselbe mit seinem Bauch begrüßte. Aber im Nu war er wieder auf.
    „Wai sana – wehe dir, du hast einen Gläubigen beleidigt; du mußt sterben!“
    Er riß seinen Handschar heraus und stürzte auf mich zu. Sein Begleiter folgte ihm mit gezückter Waffe. Schnell zog ich Halef die harte Nilpeitsche aus dem Gürtel, um mit derselben die Angreifer zu salutieren; aber es sollte gar nicht so weit kommen, denn in diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Verschlages, und es erschien eine der Frauen. Sie erhob stumm die Hand und zog sich dann zurück. Die beiden Araber hemmten ihre Schritte und gingen lautlos beiseite; aber ihre Blicke sagten mir, daß ich von ihnen nichts Gutes zu erwarten habe.
    Die Türken hatten dem Vorgang mit großem Gleichmut zugesehen. Wäre auf dem Schiff jemand getötet worden, so hätte es ja sein Kismet (Schicksal, Vorausbestimmung) nicht anders mit sich gebracht.
    Was mich betrifft, so hatten mich die unnützen Fragen dieses Menschen sehr in Harnisch gebracht. Aber, waren sie wirklich so unnütz? Hatten sie nicht vielleicht einen verborgenen Zweck? Der Orientale ist kein Schwätzer, am allerwenigsten

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