12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
genannt, ‚Ort der beiden Seile‘, ein Name, welcher auf die Art und Weise hindeutet, in welcher man früher sich vor der Gefahr zu sichern suchte.
Auf diese Durchfahrt trieb uns der Orkan mit rasender Schnelligkeit zu. Eine Landung vorher war unmöglich.
Ich hatte mich von meinem Lager erhoben. Aber wenn das Schiff auf eine Klippe rannte, war ich doch verloren, da meine Kammer verschlossen war.
Da war es mir, als hörte ich mitten im Brausen der Elemente ein Geräusch vor meiner Tür. Ich trat näher und horchte. Ich hatte mich nicht getäuscht. Man entfernte die Verrammelung, und die Tür wurde geöffnet.
„Sihdi!“
„Wer ist da?“
„Hamdullillah, Preis sei Gott, der mich den richtigen Ort gleich finden ließ! Kennst du nicht die Stimme deines treuen Halef?“
„Halef? Unmöglich! Der kann es nicht sein; der kann nicht gehen.“
„Warum nicht?“
„Weil er verwundet ist und ein Bein gebrochen hat.“
„Ja, verwundet bin ich, Sihdi, von einer Kugel am Arme; aber nur sehr leicht. Das Bein habe ich nicht gebrochen.“
„So hat Abu-Seïf mich belogen.“
„Nein, sondern ich habe ihn getäuscht. Ich mußte mich verstellen, um meinem guten Sihdi helfen zu können. Nun habe ich drei Tage mit den Schienen am Beine unten im Raume gelegen und des Nachts habe ich sie entfernt und bin auf Kundschaft ausgekrochen.“
„Wackerer Halef, das werde ich dir nicht vergessen!“
„Ich habe auch Verschiedenes erfahren.“
„Was?“
„Abu-Seïf wird eine Strecke vor Dschidda anlegen, um nach Mekka zu pilgern. Er will dort beten, daß sein Bruder wieder frei werde. Mehrere von seinen Mannen gehen mit.“
„Vielleicht ist es uns da möglich, zu entkommen.“
„Ich werde sehen. Das wird also morgen sein. Deine Waffen sind in seiner Kammer.“
„Kommst du morgen abend wieder, wenn wir in dieser Nacht nicht umkommen?“
„Ich komme, Sihdi.“
„Aber die Gefahr, Halef!“
„Heute ist es so finster, daß mich niemand sehen konnte, und nach uns zu schauen, haben sie keine Zeit, Sihdi. Morgen aber wird Allah helfen.“
„Hast du Schmerzen in deiner Wunde?“
„Nein.“
„Was ist mit dem Sambuk geschehen? Ich lag in Ohnmacht und kann es also nicht wissen.“
„Sie haben das ganze Geld genommen, welches nun in der Oda (Kammer, Kajüte) des Kapitäns liegt, und die Bemannung angebunden. Nur uns zwei hat man mitgenommen, damit du den Bruder Abu-Seïfs befreien sollst.“
„Das weißt du?“
„Ich habe Gespräche belauscht.“
„Und die Barke in jener Nacht?“
„Sie lag nicht weit von uns hinter den Klippen vor Anker und hatte auf uns gewartet. Chajir ola, gute Nacht, Sihdi!“
„Gute Nacht!“
Er ging hinaus, schob den Riegel vor und brachte auch die Verbarrikadierung wieder an Ort und Stelle.
Ich hatte während dieses Besuches den Orkan ganz und gar vergessen, der ganz unerwartet ebenso schnell sich legte, als er gekommen war; und wenn die See auch noch lange hoch ging, wie ich aus den Bewegungen des Schiffes merkte, so vermutete ich doch, daß nun heller Himmel geworden sei, der die Gefahr eines Schiffbruches bedeutend verminderte. Ich schlief ruhig ein.
Als ich erwachte, lag das Schiff still; meine Tür war geöffnet, draußen aber stand mein Wächter.
„Willst du hinauf?“ fragte er mich.
„Ja.“
„Du kannst nur bis zum Deghri (Gebet zur Mittagszeit) oben bleiben.“
Ich kam an Deck und fand bereits alle Spuren des Sturmes verwischt. Das Schiff lag in einer sehr schmalen, tief in das Land einschneidenden Bucht vor Anker. Die Segel waren abgenommen und die beweglichen Masten umgelegt worden, so daß das Fahrzeug weder vom Meere, noch vom Lande aus, welches wüst und unbewohnt erschien, leicht gesehen werden konnte.
Bis gegen Mittag blieb ich an Deck, ohne etwas Ungewöhnliches bemerken zu können. Dann aber ließ mich Abu-Seïf zu sich kommen. Er befand sich nicht an Deck, sondern in seiner Kajüte, in welcher ich alle meine Waffen an der Wand hängen sah. Auch die Patronenkapsel war da, und außerdem sah ich mehrere große Ketschikise (Aus Ziegenfell gefertigte Beutel. Die Haarseite ist dabei nach außen gewendet) am Boden liegen, welche jedenfalls Pulver enthielten. Ein Sandyk (Ein schrankartiger Kasten) stand offen, den Abu-Seïf bei meinem Eintritt sofort verschloß; dennoch hatte ich Zeit genug gehabt, zu bemerken, daß er lauter Kettschuwal (Leinwandsäckchen) enthielt, in denen sich wahrscheinlich die von dem Sambuk geraubten Gelder befanden.
„Nemtsche, ich
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