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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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überzeugt, und das brachte mich zu dem Versprechen:
    „Halef, du sollst die Theresienthaler noch einmal von mir bekommen!“
    „Ist es wahr, Sihdi?“
    „Ja.“
    „So laß uns gehen!“
    Wir verließen die Kajüte und erreichten glücklich den Rand des Fahrzeuges. Der Abstand zwischen ihm und dem Lande war doch ein bedeutender, wie man bei dem nächtlichen Sternenlichte bemerken konnte.
    „Kommst du hinüber, Halef?“ fragte ich besorgt.
    Ich wußte, daß er ein guter Springer war; hier aber konnte man keinen Anlauf nehmen.
    „Paß auf, Sihdi!“
    Er erhob sich, setzte den Fuß auf den Regeling und stand im nächsten Augenblick drüben am Ufer. Ich folgte ihm sofort.
    „Hamdullillah , Gott sei Dank! Jetzt sind wir frei. Aber was nun?“ fragte Halef.
    „Wir gehen nach Dschidda.“
    „Weißt du den Weg?“
    „Nein.“
    „Oder hast du eine Harjta (Landkarte), welche dir den Weg zeigt?“
    „Auch nicht; aber wir brauchen uns nur nach Süden zu halten. Abu-Seïf hat zu Fuß hinwandern müssen; das ist ein sicheres Zeichen, daß die Stadt nicht sehr weit von hier liegt. Laß uns vor allen Dingen erst nach den Waffen sehen.“
    Wir zogen uns hinter ein nahes Euphorbiengesträuch zurück, welches uns genügend verbarg, denn es war nicht die kleine arabische, sondern die hohe ostindische Art. Meine Gewehre waren geladen; man hatte jedenfalls mit dem Revolver und dem Henrystutzen nicht umzugehen verstanden und sich über den schweren Bärentöter höchlichst wundern müssen. Der Araber ist ein langes, leichtes Gewehr gewohnt, und es gibt ganze Stämme, welche noch mit Flinten der ältesten, seltsamsten Konstruktionen bewaffnet sind.
    Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß unsere Flucht nicht bemerkt worden war, machten wir uns auf den unbekannten Weg. Wir mußten, so viel wie möglich, der Küste folgen, und diese hatte zahlreiche größere oder kleinere Einbuchtungen, welche zu umgehen waren, so daß wir nur langsam vorwärts kamen. Dazu war der Boden trotz der Nähe des Meeres sehr dicht mit Koloquinten und Aloen bewachsen, welche das Gehen außerordentlich beschwerlich machten. Endlich graute der Tag, und der Marsch ging leichter und schneller vor sich. Man konnte in die Ferne blicken und unterscheiden, welche Richtung man einzuschlagen hatte, um eine Krümmung der Küste abzuschneiden, und es war vielleicht vormittags acht Uhr, als wir die Minareh (Dieses Wort wird nach französischer Weise Minaren geschrieben und von vielen Deutschen auch so ausgesprochen, was aber falsch ist) einer Stadt vor uns erblickten, welche mit einer hohen, ziemlich gut erhaltenen Mauer umgeben war.
    „Wollen wir fragen, ob dies Dschidda ist, Sihdi?“ fragte Halef.
    Wir waren bereits seit einer Stunde Arabern begegnet, ohne sie anzureden.
    „Nein; das ist ganz sicher Dschidda.“
    „Und was beginnen wir dort?“
    „Ich werde mir zunächst den Ort ansehen.“
    „Und ich auch. Weißt du, daß dort Eva, die Mutter aller Lebendigen begraben liegt?“
    „Ja.“
    „Als Adam sie begraben hatte, beweinte er sie vierzig Tage und vierzig Nächte; dann ging er nach Selan-Dib, wo er starb und nun auch begraben liegt. Das ist eine Insel, von der nur die Gläubigen etwas wissen.“
    „Du irrst, Halef. Diese Insel hieß bei ihren Bewohnern Sinhala Dvipa, woraus ihr in eurer Sprache Selan-Dib gemacht habt. Sinhala Dvipa heißt Löweninsel; sie gehört jetzt den Christen, den Inglis, und ich selbst bin bereits zweimal dort gewesen.“
    Er blickte mich erstaunt an.
    „Aber unsere Talebs (Gelehrten) sagen doch, daß jeder Ungläubige stirbt, der die Insel Adams betreten will!“
    „Bin ich gestorben?“
    „Nein. Aber du bist ein Liebling Allahs, obgleich du den wahren Glauben noch nicht hast.“
    „Ich will dir noch ein Beispiel sagen. Nicht wahr, jeder Ungläubige muß sterben, der die heiligen Stätten von Mekka und Medina betritt?“
    „Ja.“
    „Aber es gibt dennoch Christen, welche dort gewesen sind.“
    „Ist das wahr?“
    „Ja. Sie haben getan, als ob sie Moslemim seien.“
    „Dann mußten sie unsere Sprache und unsere Gebräuche verstehen.“
    „Sie verstanden sie.“
    Er blickte mir ängstlich forschend in das Angesicht.
    „Sihdi, du verstehst das auch. Willst du nach Mekka?“
    „Würdest du mich mitnehmen?“
    „Nein, Sihdi; denn ich würde in der tiefsten Dschehennah gebraten werden.“
    „Würdest du mich verraten, wenn du mich dort sähest?“
    „Effendi, mache mich nicht traurig! Ich müßte dich verraten und

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