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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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dem Lautsprecher drang. »Deputy Sims ist soeben angekommen, Sir.«
    »Schön, dann schick ihn rauf zu uns. Wir gehen in Stellung, und ich will seine Meinung hören, was die unterschiedlichen Schusswinkel angeht.«
    »Jesses!«, stieß Carl hervor.
    »M-hmmm«, stimmte Willie ihm zu.
    »Hat überhaupt schon jemand mit Dr. Shields gesprochen?«
    Willie zuckte die Schultern. Dann knackte sein Funkgerät erneut.
    »Wir haben die Befehlsstelle unter einer Baumgruppe im Vorgarten von Shields errichtet. Sag Carl, er soll seinen Arsch hier raufschaffen, aber ein bisschen plötzlich.«
    »Du hast es gehört«, sagte Willie.
    Carl atmete tief ein und aus, während er sich innerlich gegen den Ansturm von Testosteron zu wappnen versuchte, der ihn ein paar hundert Meter die Straße hinauf empfangen würde.
    »Ich hoffe wirklich, der Sheriff ist bald hier«, sagte Willie.
    »Ich auch.«
    Carl nahm den Fuß von der Bremse und lenkte den Streifenwagen die Lyonesse hinauf. Es war fast zwei Monate her, dass die TRU das letzte Mal zu einem Einsatz gerufen worden war. Damals hatte man sie alarmiert, weil sich angeblich ein Mann mit seiner Familie in seinem Haus in der Innenstadt verbarrikadiert hatte. Als sie vor Ort angekommen waren, hatte sich jedoch ein völlig anderes Bild geboten: Ein einheimischer Ingenieur, der mit einer selbstgebauten Bombe im Schoß in seiner Badewanne gelegen hatte und dessen Familie draußen in Sicherheit war.
    Die TRU verfügte nicht über einen ausgebildeten Geiselunterhändler, deshalb konnte – je nach den Umständen – jeder in die Lage kommen, die Verhandlungen mit dem Täter führen zu müssen. Im Fall des Ingenieurs hatte der Sheriff zwei Stunden lang durchs Badezimmerfenster mit dem Mann geredet, geschützt durch die Mauer, eine Flak-Weste und einen kugelsicheren Helm. Sheriff Ellis hatte weniger als zwei Jahre bis zur Pension, und seine letzte Erfahrung als Gesetzesbeamter lag zwanzig Jahre zurück, als Militärpolizist in Deutschland. Er war ein gottesfürchtiger Mann, der einen guten Ruf genoss und das Vertrauen der Bürger besaß, doch es war nicht genug gewesen: Der Ingenieur jagte sich in die Luft, während der Sheriff für seine unsterbliche Seele betete, und pflasterte die Wände des Badezimmers mit dem, was eine Millisekunde zuvor noch seine Innereien gewesen waren. Sheriff Ellis wurde von umherfliegenden Splittern verwundet, die sich später als Fragmente eines Unterkiefers herausgestellt hatten.
    Carl hatte das alles aus einem Hochstand, den er im Baum eines Nachbarhauses eingerichtet hatte, durch sein Zielfernrohr hindurch beobachtet. Er hatte den Zündmechanismus der Bombe durch einen gezielten Schuss zerstören wollen, doch weil der Ingenieur das Ding im Schoß gehalten hatte, war es nicht möglich gewesen, ohne den Mann zu töten. Die Hand mit dem Detonator war hinter der schmiedeeisernen Wand der Badewanne verborgen gewesen; deshalb war auch diese Option nicht infrage gekommen. Die einzige andere Möglichkeit, die Explosion der Bombe zu verhindern, wäre eine Kugel durch den Hirnstamm des Mannes gewesen, die sein Nervensystem auf der Stelle kurzgeschlossen hätte – doch die Vorschriften, was Bomber betraf, waren in Mississippi andere als damals im Irak, zumindest dann, wenn der einzige Mensch, den ein Bomber bedrohte, er selbst war.
    Carl verdrängte die Gedanken an jenen Zwischenfall aus seinem Kopf, während er die Lyonesse hinaufrollte. Er brauchte dringend seinen klaren Verstand und keine dunklen Erinnerungen, die ihn von seiner Arbeit ablenkten.
    Vor ihm erschienen fünf Streifenwagen vor einem großen Haus im Kolonialstil, fünfzig Meter von der Straße zurück. Dazwischen standen zivile Fahrzeuge jener Mitglieder der TRU, die dienstfrei gehabt hatten, als der Einsatzbefehl gekommen war. Carl wusste, dass sein taktischer Commander nervös war. Trotzdem hielt er sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen und bremste vor den Schwellen auf der Straße. Er wollte dem Sheriff jede nur denkbare Möglichkeit verschaffen, am Ort des Geschehens einzutreffen, bevor Ray irgendeine Dummheit beging.
    Die Zuständigkeiten in Athens Point waren merkwürdig verteilt. Das Police Department besaß die Jurisdiktion über die Stadt, und das Sheriff’s Department übernahm traditionsgemäß die Umgegend. Rein technisch betrachtet jedoch hatte der Sheriff auch in der Stadt das Sagen. Vor 1968 waren beide Behörden zu einhundert Prozent weiß gewesen. Seit damals hatte das Police Department

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