12 Stunden Angst
wenigstens einmal am Haus vorbeigefahren sein, dachte sie. Oder vielleicht war es sein Flugzeug, das ich vorhin gehört habe. Er weiß, dass Warren im Haus ist. Außerdem bin ich nicht zur Lichtung gekommen. Das hat ihn nervös gemacht. Aber was kann er tun?
Danny flog gelegentlich den Helikopter des Sheriff’s Department und war ziemlich gut mit Sheriff Ellis bekannt. Wenn ihm zu Ohren kam, dass hier draußen Schüsse gefallen waren, würde er einen Weg finden, an den Ereignissen teilzunehmen. Und von da an, da war Laurel absolut sicher, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand kam, um sie und Beth zu retten.
Sie blickte hinunter auf Austers Leichnam. Seine Augen standen immer noch offen, doch die milchigen Iriden zeigten keinerlei Leben mehr. Das tote Gesicht erinnerte bereits eher an eine Wachsfigur von Auster als an den Mann selbst. Mitleid stieg in Laurel auf, doch sie wusste, dass ihre Pflicht den Lebenden galt,nicht den Toten. Sie überlegte, ob sie Danny eine SMS schicken sollte, dass Auster erschossen worden war, doch Warren beobachtete sie vom anderen Ende der Halle.
Sie entfaltete eins der Laken und legte es behutsam über den Leichnam, bevor sie den Toten mit einiger Mühe herumrollte. Dann richtete sie sich auf und zog ihn zur Tür des Gästezimmers. Dank des Lakens unter seinem Körper glitt er ziemlich leicht über die gebohnerten Dielen. Ihn über die Schwelle zu zerren erwies sich als bedeutend schwieriger. Schließlich drehte Laurel sich um, packte ihn an den Knöcheln und zerrte in hinter die Tür, indem sie drei-, viermal kräftig an dem Laken ruckte.
Im Schutz des Zimmers überkam sie das beinahe unüberwindliche Verlangen, Danny anzurufen. Gerade als sie die Hand ausstreckte, um die Tür zu schließen, erschien dort Warren, Beth in den Armen.
»Das reicht«, sagte er und hielt Beth’ Kopf von dem Toten weggedreht. »Komm. Wir vermissen dich.«
Laurel schluckte mühsam und folgte Warren zurück in die Küche. Danny weiß, dass ich Hilfe brauche, sagte sie sich. Er weiß alles, was er wissen muss. Ich muss die Existenz des Handys weiterhin geheim halten, unter allen Umständen. Es könnte um Leben und Tod gehen.
»Mach du weiter.« Warren deutete auf die gusseiserne Pfanne auf der Herdplatte. Daneben lagen eine Packung Eier und eine Dose Biskuits. »Ich gehe ins Wohnzimmer und sehe nach, wie weit der Computer ist.«
Der Computer. Ihr Laptop war von Anfang an die größte Bedrohung für sie gewesen. Jeden Moment konnte das Programm ihr Passwort entschlüsseln und Warren auf diese Weise Zugang zu Hunderten von E-Mails verschaffen, die Danny ihr geschickt hatte. Liebesbriefe, digitale Fotos … alles, was sie von Anfang an niemals auf ihrer Festplatte hätte speichern dürfen. »Keine Sorge«, sagte sie munter. »Beth und ich haben alles unter Kontrolle.«
Warren schien zu schwanken, ob er Beth ins Wohnzimmermitnehmen sollte, wandte sich dann aber ab und ging alleine. »Vergiss nicht«, rief er über die Schulter, »sämtliche Türen sind abgeschlossen. Und ich habe die Schlüssel abgezogen.«
»Danke für diese Information«, rief Laurel in einem Tonfall zurück, der besagte: Mach unserer Tochter keine Angst!
»Lass die Vorhänge zu«, erinnerte er sie. »Und klopf schön mit einer Gabel gegen die Pfanne, solange ich dich nicht sehen kann.«
Er verschwand im Wohnzimmer.
Laurel klopfte ein paarmal mit einer Gabel gegen die Pfanne; dann hob sie Beth auf die Arbeitsfläche neben dem Herd. Sie zitterte vor Anspannung. Ihr war eine neue Idee gekommen, ein neuer Plan – und sie hatte keine Zeit, über Einzelheiten nachzudenken. Der Plan war nicht ohne Risiko, doch Laurel war fast sicher, dass Beth und sie es schaffen würden. Mit der rechten Hand schlug sie Eier auf und ließ sie in die Pfanne gleiten, während sie Beth mit der linken Hand festhielt. »Daddy ist im Moment ziemlich durcheinander, Liebling. Findest du auch?«
Beth nickte mit weit aufgerissenen Augen. »Vorhin hat er den Polizisten am Telefon belogen.«
»Ja. Du musst etwas für mich tun, Beth. Etwas ganz Einfaches – und dann können wir nach draußen, wo Grant und die netten Polizisten warten. Wirst du das für mich tun?«
Beth nickte erneut.
»Weißt du noch, wo mein Computer steht? Auf dem Wohnzimmertisch?«
»Ja. Wo Daddy ist.«
»Wenn Daddy wieder hierher zu uns kommt, möchte ich, dass du dein Glas Wasser mit ins Wohnzimmer nimmst, als wolltest du dort spielen. Sobald du dort bist, ziehst du den Stecker
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