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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sich nach und nach der Bevölkerungsverteilung der Stadt angeglichen, in der mehr als die Hälfte Schwarze lebten.Im County selbst herrschte eine ähnliche Verteilung, wenngleich die Schwarzen sich traditionell in den Städten ballten, während die umliegenden Gebiete hauptsächlich weiß waren. Dies hatte irgendwie in einer ununterbrochenen Serie weißer Sheriffs resultiert. Carl hätte lieber für den schwarzen Polizeichef gearbeitet, doch die Bezahlung und die übrigen Vergünstigungen im Sheriff’s Department waren viel besser; also hatte er beschlossen, draußen im County zu arbeiten.
    Die meisten seiner Kollegen bei der TRU waren weiße Landjungs von der Sorte, die Carl nur allzu gut kannte. Die meisten waren zehn oder fünfzehn Jahre älter als er; einige waren schon über fünfzig. In einer Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit gab ein Mann eine Stelle mit gutem Verdienst nicht freiwillig auf, wenn er nicht rausgeworfen wurde – was üblicherweise kurz nach einer Wahl geschah. Doch trotz des Alters und der Herkunft dieser Männer verhielten sie sich zum größten Teil fair gegenüber den Schwarzen in der Einheit. Vorurteile gab es zwar noch immer, doch sie waren schwer zu fassen und unmöglich zu beweisen, mit wenigen Ausnahmen. Selbst die hartgesottensten Südstaatler hatten inzwischen akzeptiert, dass die Bürgerrechtsreform nicht mehr rückgängig gemacht werden würde, und so arrangierten sie sich damit, so gut sie konnten.
    Abgesehen von alledem war Carl ein spezieller Fall. Seine militärische Akte als Scharfschütze verschaffte ihm eine nahezu magische Immunität gegen jegliche Vorurteile. Seiner Erfahrung nach waren die Weißen vom Land ziemlich primitiv, was ihre sozialen Gewohnheiten anging. Kreaturen, die in einem Geflecht aus Dominanz und Unterwerfung lebten, genau wie die Jagdhunde, die Carl als Junge gezüchtet hatte. Körperliche Tüchtigkeit bedeutete eine Menge, die Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen, noch viel mehr, doch nichts zählte in ihren Augen so viel wie Kampferfahrung. Wenn ein Mann im Dreck gelegen, Blut vergossen und unter feindlichem Feuer die Nerven behalten hatte, spielte es nicht mehr die geringste Rolle, welche Hautfarbe er besaß – für die meisten von ihnen jedenfalls nicht. Als Scharfschütze mit einerbeinahe legendären Zahl bestätigter Abschüsse stand Carl ganz weit oben am Redneck-Firmament, wo die Luft bereits dünn wurde. Die Tatsache, dass er ein Schwarzer war, hatte einige der guten Jungs in die kuriose Situation gebracht, beinahe kriecherisch um einen Kerl herumzuschwänzeln, dem sie wahrscheinlich die Scheiße aus dem Leib geprügelt hätten, wäre er nachts in ihrer Wohngegend aufgetaucht.
    Carl parkte seinen Cherokee hinter dem letzten Streifenwagen und holte seine Regenjacke aus dem Kofferraum. Er hatte sich entschieden, seinen Gewehrkasten verschlossen im Wagen liegen zu lassen. Je langsamer die Dinge ins Rollen kamen, desto mehr Zeit blieb, damit das Adrenalin sich verflüchtigen und der Hormonspiegel sich normalisieren konnte.
    Carl entdeckte die mobile Einsatzzentrale zwischen den Bäumen. Es war ein mit Tarnfarben bemalter Wohnanhänger, der unter einer kleinen Baumgruppe abgestellt und mit Blocksteinen abgestützt war. Das beständige leise Rumpeln eines Generators erklang über das flache Gelände hinweg, was erkennen ließ, dass es im Anhänger elektrisches Licht gab, wenn nicht sogar eine Klimaanlage. Carl riss sich zusammen. Er war schließlich nur Deputy und nicht das führende Mitglied einer autonom operierenden Einheit aus Scouts und Scharfschützen wie damals im Irak. Sein Job nach Betreten des Wohnwagens bestand darin, Befehle entgegenzunehmen – nicht, sie zu erteilen. Und jeder Ratschlag, den er erteilte, würde entschieden abgewiesen werden – es sei denn, er unterstützte genau das, was seine Vorgesetzten bereits beschlossen hatten.
    Carls größte Sorge zum gegenwärtigen Zeitpunkt waren die Breen-Brüder, von denen einer Commander der TRU und in einer Situation wie dieser einzig Sheriff Ellis unterstellt war. Die Breen-Brüder waren beide aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie hatten die wettergegerbte, gebräunte Haut von Farmern und schmale, nahe beieinanderstehende Augen, aus denen so viel Gemeinheit strahlte, dass die Leute unwillkürlich einen Schritt zurückwichen, selbst wenn die Breens keine Uniform trugen. Beidewaren dünn und wirkten ausgemergelt – Trace, der jüngere von beiden, so sehr, dass Carl sich fragte, ob er als Kind

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