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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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an einer Stoffwechselkrankheit wie Rachitis gelitten hatte. Viel wahrscheinlicher jedoch lag es an Trace’ ständiger schlechter Laune. Vermutlich wurde er nach und nach von seinem eigenen Ärger aufgefressen.
    Ray, der ältere, war ein bisschen massiger als sein Bruder und hatte ein etwas offeneres Gesicht, trotz seines Schnauzbarts. Er hatte während der mageren Jahre nach Vietnam als MP in der Army gedient, genau wie Sheriff Ellis. Und er war – wie Ellis – ein Weekend Warrior, ein Wochenendkrieger und Reservist. Obwohl seine Einheit nach Bosnien versetzt worden war, hatte er dort keine Einsätze erlebt. Eine Zeit lang hatte er als Schweißer gearbeitet, war aber gefeuert worden, weil er immer wieder in Schlägereien verwickelt war. Erst als er beim Sheriff’s Department als Deputy angeheuert hatte, fand er seine Bestimmung. Er trug seine Uniform wie eine Rüstung, und Carl sah ihm an, dass es die Macht war, die der Job ihm verlieh, die Ray Breen jeden Morgen aus dem Bett steigen ließ.
    Ray ergötzte sich am High-Tech-Equipment seiner Tactical Response Unit. Im Verlauf der vergangenen Jahre war es ihm irgendwie gelungen, ein Arsenal anzuhäufen, das mehr als ausreichend war, eine städtische SWAT-Einheit auszurüsten. Die TRU verfügte über automatische Waffen, Blendgranaten, Hohlladungen, hochentwickelte Kommunikationsmittel und Nachtsichtgeräte. In seiner Freizeit las Ray Romane von Tom Clancy, Dale Brown und Larry Bond, wenn er nicht auf der Xbox 360 seines Sohnes Rainbow Six: Splinter Cell spielte. Wann immer Carl ihm bei Wal-Mart oder bei einem Footballspiel an der Highschool begegnete, zwinkerte der Commander ihm zu und nickte unmerklich, als wollte er sagen: Wir gehören beide zu derselben Eliteeinheit. Die Zivilisten hier wissen, dass wir ständig die Augen aufhalten, ob irgendwo Ärger droht.
    Ray hatte Carl Dutzende Male beiseitegezogen, um mit ihm zu fachsimpeln und sich ausführlich über die Vor- und Nachteileverschiedener Scharfschützengewehre, Fernrohre und Nachtsichtgeräte zu informieren. Doch jedes Mal, nachdem sämtliche Fragen bezüglich des Materials beantwortet waren, kam Breen auf die eigentliche Frage zurück, die ihm auf der Zunge brannte. Wie ist es, wenn man einem ahnungslosen Turbankopf aus tausend Metern Entfernung die Scheiße aus dem Schädel pustet? Carls Antwort lautete stets ähnlich: Ich versuche nicht darüber nachzudenken, Sir. Es war ein Befehl, und ich habe mich einzig und allein auf seine Ausführung konzentriert. Typen wie Ray Breen begriffen einfach nicht, was es mit diesem Job auf sich hatte. Es ging mindestens ebenso sehr um Tarnung und Verstecken wie um das eigentliche Schießen. Einmal hatte Carl in Bagdad zwei volle Tage damit verbracht, sich ein Versteck zu bauen, um anschließend einen weiteren Tag regungslos zu warten und schließlich einen Schuss abzugeben, den jeder Zwölfjährige in seinem Garten zu Hause in Sandy Bottom hätte abfeuern können. Doch Carl konnte es dem Commander der TRU nicht verdenken. Die Kumpel, mit denen er in Athens Point Ball gespielt hatte, pflegten ihm die gleichen Fragen zu stellen, nachdem sie ein paar Biere intus hatten.
    Alle menschlichen Wesen, so hatte Carl herausgefunden, waren fasziniert vom Tod. Nur wer den Tod aus nächster Nähe kannte, so wie Carl, begriff das grundlegende Geheimnis dahinter.
    Carl entdeckte eine schmale Gestalt, die aus dem Wohnwagenanhänger schlich. Trace Breen. Mit den Worten von Carls Vater war Trace ein Skunk, ein Stinktier. Lügen waren seine Muttermilch. Er hatte keine militärische Erfahrung, und Carl vermutete, dass er am Rockzipfel seines Bruders zur TRU gekommen war – nominell als Kommunikationsoffizier. Umherschwirrenden Gerüchten hatte Carl entnommen, dass Trace ein Dutzend unterschiedliche Jobs gehabt hatte, bevor er Deputy geworden war – und nicht einer davon war produktiv gewesen. Er hatte als Handlanger auf Baustellen gearbeitet (auf denen Baumaterial in der Nacht angefangen hatte zu verschwinden); er hatte aus dem Laderaum eines Lieferwagens heraus Stereoanlagen verkauft (diemeisten gestohlen); er hatte als Jagdführer gejobbt (und nachts Alligatoren gewildert); er hatte Hundekämpfe veranstaltet und war zahlreichen anderen nächtlichen Unternehmungen nachgegangen, die allesamt zu nichts geführt hatten. Selbst jetzt noch betrieb Trace einen lukrativen Handel mit Prepaid-Handys, die er aus dem Wagen heraus verscherbelte. Vermutlich war in Texas oder sonst wo eine ganze

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