12 Stunden Angst
Jagdgewehr und einen Revolver.«
Der Sheriff lächelte. »Du bist ein kluger Junge, habe ich recht?«
»Weiß nicht.«
»Hast du auch schon ein Gewehr?«
»Nein, Sir. Dad sagt, ich bin noch zu jung. Bin ich aber nicht!«
»Das glaube ich dir gerne.«
Als Ellis sich auf seinem Sessel näher an den Jungen schob, vibrierte Dannys Handy in der Hosentasche. Er zog es hervor und las die SMS-Nachricht von Laurel.
W mental instabil. Pistole und Schrotflinte in Griffweite. Jagdgewehr in Panikraum. Vorräte für Tage. Absicht unbekannt, hat aber scheinbar alle Zeit der Welt. Wie in Trance. Beth schläft in seinem Zimmer. Sei vorsichtig. Er kann euch sehen. Sicherheitskameras überall.
Danny schrieb zurück: Verstanden. Halt durch. Ich liebe dich –obwohl er wusste, dass der Sheriff mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eines Tages den Inhalt dieser heimlichen Botschaften erfahren würde.
»Grant?«, fragte Sheriff Ellis. »Hast du deinen Vater schon einmal so erlebt wie heute?«
Die Augen des Jungen wurden feucht. »Nein, noch nie. Er war wie ein anderer Mensch oder so.«
Ellis nickte und blickte zu Danny hoch. »Möchten Sie Grant noch ein paar Fragen stellen?«
Danny hockte sich vor den Jungen, von dem er einmal geglaubt hatte, er würde sein Stiefsohn werden. Grant besaß das Gesicht seines Vaters und strohblondes Haar, doch die Augen hatte er von Laurel. »Gibt es sonst noch etwas, das du uns sagen möchtest, Grant?«, fragte er.
Grant schüttelte den Kopf. Dann aber, ohne Vorwarnung, strömten Tränen über seine Wangen. »Bitte, Mr. Danny, lassen Sie nicht zu, dass sie meinem Dad wehtun! Er hat es nicht böse gemeint! Er ist nicht richtig im Kopf, hat Mom gesagt!«
Danny ergriff die Hände des Jungen und drückte sie beruhigend. »Keine Angst, Grant«, sagte er. »Wir achten darauf, dass alle gesund aus dieser Sache herauskommen.«
Grant wischte sich das Gesicht ab. »Okay.«
Danny wollte sich erheben, fügte dann aber hinzu: »Deine Mutter ist eine sehr starke Frau. Sie wird tun, was nötig ist, um zu dir zurückzukommen.«
Grant blickte ihn zweifelnd an. »Ich weiß nicht. Sie tut so, aber manchmal weint sie leise, wenn sie glaubt, ich sehe es nicht.«
Danny nickte, als wäre das etwas völlig Alltägliches. »Alle Erwachsenen weinen hin und wieder. Ich habe tapfere Soldaten weinen sehen. Das bedeutet nichts Schlechtes.«
»Weinen Sie auch, Mr. Danny?«
Er spürte, wie ihm die Kehle eng wurde. »Manchmal, Grant, ja. Denk jetzt an etwas anderes. Warte hier und versuch dich zu entspannen. Deine Mom und du, ihr seid wieder zusammen, bevor du dich versiehst.«
»Und Dad auch«, sagte Grant entschieden.
Danny nickte erneut.
»Wir machen jetzt besser, dass wir loskommen«, sagte Sheriff Ellis schroff. »Wir müssen die Einsatzbesprechung abhalten.«
Danny drückte Grant ein letztes Mal die Hand; dann erhob er sich und zwang sich zum Gehen.
»Langsam, Missy! Da vorn stehen jede Menge Autos!«
Nell Roberts hielt es kaum noch aus. Sie hatte sich ein wenig erleichtert gefühlt nach dem Gespräch mit Dr. Shields, doch das hatte nicht lange vorgehalten. Schließlich hatte sie ihre Großcousine Missy Darden angerufen, um sich von ihr abholen und in die Innenstadt zum Büro von Shields’ Anwalt fahren zu lassen, doch die Kanzlei war geschlossen gewesen. Nell hatte sich von der Auskunft die private Telefonnummer des Anwalts geben lassen, war aber nur bei einem Anrufbeantworter gelandet. Nachdem sie Missy überredet hatte, sie zum Haus des Mannes zu fahren, hatte sie ihren ganzen Mut zusammengerafft und an der Haustür geläutet, doch niemand hatte aufgemacht. Während der gesamten Odyssee hatte Missy sie mit Fragen gelöchert, doch Nell war ausweichend und vage geblieben – nicht sicher, wie ihre Cousine auf die Nachricht von Vidas Zustand reagieren würde.
»Da vorn scheint eine Art Straßensperre zu sein«, sagte Missy und deutete auf die Straße, die zum Haus von Warren Shields führte. »Möchtest du, dass ich hier anhalte?«
»Nein, fahr weiter. Aber langsam.«
»Was geht hier eigentlich vor, Nell? Warum wird die Straße zu Dr. Shields’ Haus von der Polizei bewacht?«
»Weiß ich auch nicht.«
»Es hat etwas mit diesem Anwalt zu tun, stimmt’s?«
Nell suchte die Rasenflächen und Wiesen hinter der Reihe geparkter Fahrzeuge am Straßenrand ab. Es war die Hauptstraße von Avalon, und sie erkannte viele der Leute, die sich auf den Bürgersteigen drängten und sich aufgeregt
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