12 Stunden Angst
geschrieben, dass Auster tot sei, dass Warren in Notwehr gehandelt habe und dass es ihr und Beth gut ginge, auch wenn sie gefesselt sei.
Dannys Frage, ob Warren vorhabe, Ernst zu machen, war für Laurel schwieriger zu beantworten. Warren hatte sie zweimal geschlagen, nachdem Beth das Notebook zerstört hatte. Er hatte brutal zugeschlagen, hatte aber nicht mit der Waffe herumgefuchtelt. Dann hatte er eine weitere Kopie des Hack-Programms auf seinen Bürorechner geladen, um von dort aus zu versuchen, in Laurels Online-Account von Hotmail einzubrechen. Doch sie machte sich darüber keine allzu großen Sorgen, weil sie online keine E-Mails speicherte.
Der Panikraum machte Laurel mehr Kopfzerbrechen.
Nachdem Warren sie gefesselt hatte, hatte er die alte Jagdflinte seines Vaters und eine Packung Mülltüten in den Panikraum gebracht. Seine eigene Schrotflinte lehnte neben ihm im Arbeitszimmer am Schreibtisch. Er hatte kein Hehl gemacht aus dem,was er tat, und Laurel verraten, dass die Müllbeutel als improvisierte Toiletten dienen konnten. Es war bereits genügend Wasser und Proviant in dem Raum gelagert, um tagelang durchzuhalten, wenn nicht Wochen, und die Flinte bedurfte keiner weiteren Erklärung. Doch er hatte nicht versucht, Laurel oder Beth in den Panikraum zu bringen. Laurel hatte den Eindruck, dass Warren diesen Raum als letztes Refugium betrachtete – einen Rückzugsort für den Fall, dass die Polizei das Haus stürmte, und nicht als Tatort für ein furchtbares Verbrechen. Warrens oberstes Ziel schien noch immer die Aufdeckung der Identität ihres Liebhabers zu sein, und zwar durch das Hacken ihres Hotmail-Accounts.
Laurel wollte Danny von den Waffen und von Warrens Vorbereitungen schreiben. Doch was würde dann geschehen? Würde sie dadurch einen übereilten Rettungsversuch auslösen? Gab es da draußen Leute, die imstande waren, einen Rettungseinsatz zu wagen, obwohl das Risiko bestand, dass dabei Unschuldige starben? Laurel dachte an die Rettungsaktionen, von denen sie gelesen hatte oder über die in den Nachrichten berichtet worden war. In den meisten Fällen, schien es ihr, waren zumindest einige Geiseln ums Leben gekommen, bevor der Geiselnehmer getötet worden war.
… bevor der Geiselnehmer getötet worden war …
Laurel drehte den Kopf und sah Warrens Schopf über dem oberen Rand des Monitors. Statt Hass empfand sie nur Mitleid für ihn. Sie hatte das Gefühl, als würde sie einen Patienten in einer psychiatrischen Abteilung beobachten, einen Mann, der sein Leben lang völlig normal gewesen war, um dann von einem Tag zum anderen schizophren zu werden. Warrens Verstand hatte sich auf eine Schiene begeben, von der er ohne Hilfe von außen nicht wieder herunterkam. Hatte er es verdient, dafür zu sterben? Konnte sie es verantworten, Danny eine Nachricht zu senden, die Warrens Todesurteil bedeutete?
Dannys Zusicherung, dass niemand draußen von ihrer heim-lichen Verbindung wusste, machte sie nachdenklich. Versuchte er nur, ihre Affäre geheim zu halten? Oder vertraute er Sheriff Ellisnicht vollkommen? Hatte der Sheriff überhaupt das Kommando da draußen? Nell Roberts hatte am Telefon etwas von Bundesagenten gesagt. Was, wenn das FBI vor Ort war? Würde Danny dem FBI vertrauen? Sie brauchte zuerst weitere Informationen, bevor sie eine Nachricht nach draußen sandte.
»Warren?«, rief sie. »Könntest du bitte kurz herkommen?«
»Warum?«
»Ich muss dich etwas fragen.«
Mehr als eine Minute verging, bevor sein Stuhl knarrte, als er sich erhob, um zu ihr ins Wohnzimmer zu kommen. Zeit bedeutet ihm nichts, wurde ihr bewusst. Er hat sich völlig aus der Welt zurückgezogen. Das Festnetz-Telefon hatte ein paarmal geläutet, doch Warren hatte nach dem Gespräch mit Sheriff Ellis nicht mehr abgenommen. Laurel verdrängte die Erinnerung an Dannys Stimme während jener kostbaren Sekunden – sie konnte sich nicht mehr konzentrieren, wenn sie dieses Geräusch im Kopf hatte.
Als Warren zu ihr kam, musste sie daran denken, wie jungenhaft er an diesem Morgen ausgesehen hatte, nachdem er die ganze Nacht aufgeblieben war, um nach etwas zu suchen, wegen dem Nell Roberts ihn gewarnt hatte. Die Ironie war von exquisiter Tragik: Nell hatte versucht, Warren vor den Machenschaften Austers und ihrer Schwester zu retten – und indem sie das getan hatte, war Warren auf Dannys Brief gestoßen, der letzten Endes seinen Tod verursachen konnte.
Einen Meter vor dem Sofa blieb Warren stehen und setzte sich auf die
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