12 Stunden Angst
Dannys Hosentasche.
Noch während Danny sich verfluchte, dass er vergessen hatte, das Handy stumm zu schalten, nahm Warren Laurel in eine Art Schwitzkasten und zerrte sie um den Schreibtisch herum, wobei er ihr den Revolverlauf in den Leib stieß. Als er an der Stelle angekommen war, wo Danny zwischen ihm und den Fenstern stand, stieß er Laurel von sich. Sie ging stolpernd zu Boden.
»Nehmen Sie die Hände hoch!«, befahl er und zielte auf Dannys Brust. »Ich will Sie nicht erschießen, aber ich muss wissen, was der Sheriff Ihnen sagt.«
Danny hob die Hände.
Mit der Linken klopfte Warren Dannys Hosentaschen ab. Als er das Handy in der Gesäßtasche gefunden hatte, drückte er die Revolvermündung hart unter Dannys Brustbein und angelte mit der anderen Hand das Mobiltelefon hervor. Dann wich er zurück, wobei er sorgfältig darauf achtete, Danny zwischen sich und den Fenstern zu halten, und klappte das Handy auf.
Noch hatte Warren nicht durchschaut, was es mit den Handys auf sich hatte, doch es konnte nur noch Sekunden dauern. Danny bereitete sich darauf vor, sich auf Laurel zu werfen, sodass Carl freies Schussfeld hatte und er Laurel zugleich vor Warren abschirmen konnte.
»Danny?«, fragte Warren leise. »Sehen Sie mich an.«
Danny wusste, dass er sich in Deckung werfen sollte, doch jetzt, da es so weit gekommen war, stellte er fest, dass er es nicht konnte. Er hatte diesen Mann hintergangen. Und er konnte ihn nicht dem Tod überantworten, ohne die Verantwortung für das auf sich zu nehmen, was er getan hatte.
Warrens Blick ging durch Danny hindurch wie das Auge Gottes, bis in die dunkelsten Ecken seiner Seele. Doch Danny spürte keine Verurteilung in diesem Blick, nichts außer Trauer. Eine tiefe, unaussprechliche Traurigkeit darüber, dass ein Mann, den Warren für aufrecht gehalten hatte, sich als Mistkerl erwiesen hatte.
»Sie waren es?«, fragte er leise. »Die ganze Zeit? Sie waren das?«
Danny nickte.
Warren zuckte zusammen, als hätte Danny ihm ein Messer ins Herz gestoßen. »Warum? Können Sie mir das sagen?«
Danny sah keinen Sinn darin, etwas anderes zu sagen als die Wahrheit: »Ich liebe sie.«
Shields schien diese Erklärung mit Fassung hinzunehmen. Er schaute hinunter zu Laurel, die ihn angstvoll vom Boden aus beobachtete. In diesem Moment wurde Danny bewusst, dass sie eigentlich zu viert im Raum waren: Eine Frau, zwei Männer und ein ungeborenes Kind, das von jedem der beiden Männer sein konnte. Vielleicht dämmerte Warren die gleiche Einsicht. Was immer es war, er konnte es nicht ertragen. Er rief etwas Unverständliches; dann richtete er den Revolver auf Dannys Kopf. Danny sprang zur Seite, verlor das Gleichgewicht und rollte über den Boden. Er hatte vorgehabt, Laurel mit dem eigenen Körper abzuschirmen, doch jetzt war sie zu weit weg. Er schlug die Hände über die Ohren und krümmte sich zusammen, das Gesicht von den Fenstern abgewandt.
»Verdammter Feigling!«, brüllte Warren. »Und du willst ein Held sein! Sieh ihn dir an, Laurel … da hast du deinen beschissenen Helden!«
Danny schloss die Augen und betete, dass der Tod den richtigen Mann nehmen würde.
Carl starrte auf den Thermobildgeber, wie eine Schlange ein in die Enge getriebenes Kaninchen anstarrt. All seine Instinkte sagten ihm, dass der einzige rote Fleck, der noch ruhig verharrte, Warren Shields war. Einen Augenblick zuvor war er doppelt so groß gewesen …
»Fenster sprengen!«, befahl er in das Mikro seines Headsets.
Er drückte das rechte Auge an das Okular seines Unertl-Scopes, schloss es in Erwartung des bevorstehenden Blitzes und drückte den Abzug zu zwei Dritteln durch.
Die schwach erleuchteten Rechtecke der Fenster blitzten in seinem linken Auge auf, und helles gelbes Licht strömte aus dem Zimmer nach draußen. Carl suchte das Arbeitszimmer mit professioneller Effizienz nach der Zielperson ab, nach Dr. Shields …
Da. Shields stand alleine da und zielte mit einer Handfeuerwaffe auf irgendetwas unterhalb des Fenstersimses. Mehr Grund zum Feuern konnte niemand erwarten. Gerade als Carl den Abzug ganz durchdrückte, sprang Laurel Shields in den Zielkreis und packte die Waffenhand ihres Mannes. Carl wollte innehalten, doch sein motorischer Kortex hatte das Signal bereits an den Zeigefinger gesandt. Shields wurde zusammen mit seiner Frau nach hinten geschleudert.
Großer Gott, bitte nicht …
Blendend grelle Blitze erhellten das Innere des Hauses, und einen Sekundenbruchteil später rollten
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