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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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gedreht hatte …
    Langsam, sagte sie sich, während sie bereits die Muskeln unter der Bettdecke spannte. Denk erst zu Ende. Ich bin also im Sicherheitsraum. Was dann? Notruf? Nein. Diane anrufen und ihr sagen, dass sie die Kinder mit zu sich nach Hause nehmen soll, ohne mit jemandem darüber zu reden? Wenn ich »Familienkrise« sage, wird sie es tun, ohne Fragen zu stellen …
    Sobald die Kinder in Sicherheit waren, würde Laurel die Polizei rufen. Oder besser noch, einen Anwalt, von dem sie wusste, dass er sich gut mit dem Sheriff verstand. Ihm würde der Sheriff aufmerksamer zuhören. Und wenn das Gesetz vor der Haustür stand, würde Warren keine Geisel haben, mit der er drohen konnte. Er wäre allein mit seinem Revolver und dem Notebook seiner Frau.
    Das wahrscheinlichste Ergebnis, erkannte Laurel, war Selbstmord.
    Sie schloss die Augen, während sie sich fragte, ob Warren tatsächlich so weit durchgedreht war. Er schien eher wütend als depressiv, doch in seinem Innern ging mehr vor, als er sichanmerken ließ. Es musste so sein. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, ihm deswegen Fragen zu stellen.
    Überlass das den ZDZL-Gören …
    Sie ballte die Hände unter der Bettdecke zu Fäusten, spannte die Unterarme an. Als sie spürte, wie das Blut zu fließen begann, spannte sie den Bizeps, die Schultern, die Bauchmuskeln. Dann die Oberschenkel. Anspannen, entspannen. Anspannen, entspannen. Es war wie ein Aufwärmen in einer dieser Kursstunden bei Curves, mit dem Unterschied, dass möglicherweise ihr Leben von dieser kleinen Übung abhing. Sie würde nicht wie eine Löwin vom Sofa aufspringen und dann würdelos der Länge nach hinschlagen, weil ihre Füße eingeschlafen waren.
    Soll ich mir den Computer schnappen?, überlegte sie. Das wäre ein stillschweigendes Eingeständnis meiner Schuld. Außerdem würde Warren sie vielleicht packen, bevor sie sich mitsamt dem Notebook in Sicherheit bringen konnte. Sie konnte warten, bis er sich weiter entfernte, bevor sie handelte, doch bis dahin konnten noch Stunden vergehen. Warren konnte fast einen Tag lang durchhalten, ohne zu pinkeln, und vielleicht rechnete er damit, dass sie versuchen würde, den Computer zu beschädigen.
    Während Laurel mit sich selbst diskutierte, wann der optimale Zeitpunkt für einen Versuch gekommen war, erhob Warren sich ohne ein weiteres Wort und entfernte sich ein paar Schritte vom Notebook. Laurel spannte die Waden an, doch nach außen hin tat sie, als würde sie weiterhin ruhen. Sie spannte die Oberschenkel, blickte rasch zu Warren. Der hatte den größten Teil des Weges zur Tür zurückgelegt, die zum Schlafzimmer führte, doch jetzt war er wieder stehen geblieben. Er musterte Laurel mit offensichtlichem Misstrauen.
    Was hat er vor?, fragte sie sich.
    Wie als Antwort murmelte Warren irgendetwas vor sich hin; dann nahm er die mundgeblasene Kristallglasvase vom Sideboard, öffnete den Reißverschluss seiner Hose und urinierte in die Vase, wobei er Laurel anstarrte. Sieh nur, wozu du mich gebracht hast, schien sein Blick zu sagen.
    Laurel erkannte ihre Chance. Anstatt sich schockiert zu zeigen, setzte sie sich auf und musterte ihn voller Abscheu.
    »Das ist ekelhaft«, sagte sie, während sie dem steten Plätschern des Urins lauschte. »Kannst du nicht die Toilette benutzen?«
    Er grinste sie bloß an.
    Sie ließ den Kopf nach vorn sinken, als müsste sie gegen die Übelkeit ankämpfen. Dann schoss sie von der Couch hoch, schnappte das Notebook vom Wohnzimmertisch und stürmte zur Treppe.
    Das Stromkabel riss ihr den kleinen Computer fast aus den Händen, bevor es aus der Steckdose flog. Warren stieß einen wütenden Schrei aus. Die vollgepinkelte Vase polterte auf den Ahornboden, als Laurel die erste Tür erreichte und nach links rannte. Warren brüllte vor Wut auf und stampfte mit schweren Schritten hinter ihr her.
    »Los, los, los!«, schrie sie, stürmte durch die Eingangshalle und packte die Klinke der holzvertäfelten Tür, die den stahlbewehrten Eingang zum Panikraum verbarg. Wilde Freude durchzuckte sie, als sie die Klinke herunterdrückte und zerrte …
    … und sich beinahe die Schulter auskugelte.
    Zuerst dachte sie, Warren hätte sie zurückgerissen, doch die Wahrheit war einfacher: Die Tür war abgesperrt. Ein gequältes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, als sie ein weiteres Mal an der Klinke zerrte, doch es war zwecklos. Dann fiel ihr ein, was zu tun war. Der Raum hatte einen Sicherheitsmechanismus, der verhindern sollte, dass

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