12 Stunden Angst
spürte, wie sie errötete. »Ich bin keine Heilige.«
»Diese Obszönitäten machen dich an?«
»Ein paar Clips waren anders, als ich es nach dem Dateinamen erwartet hatte. Aber das Meiste … ja, es macht mich an.«
Warren starrte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. »Mach es. Jetzt gleich.«
»Was?«
»Mach es dir selbst.«
Laurel suchte in seinem Gesicht nach Sarkasmus, entdeckte aber keinen. »Du machst Witze, oder?«
»Ganz und gar nicht.«
»Das ist doch lächerlich …«
»Ich meine es todernst. Wir sind seit zwölf Jahren verheiratet, und ich habe noch nie gesehen, wie du es dir selbst machst. Heute ist ein guter Tag, um damit anzufangen.«
»Das werde ich nicht tun, Warren. Außerdem könnte ich es gar nicht.«
»Warum nicht?«
Sie schloss die Augen und schrie die Antwort heraus, so laut sie nur konnte: »Weil ich mit Klebeband gefesselt bin, als hätte mich ein verdammter Al-Kaida-Terrorist entführt, und weil du mich mit einem Revolver bedrohst! Wie wäre es damit?«
Er blieb ungerührt. »Wenn ich mir diese Clips anschaue, scheint dich so was aufzugeilen.«
»Tut mir leid, da hast du dich wohl geirrt.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sagte er leise. »Ich kenne dich eigentlich gar nicht so richtig, stimmt’s? Du warst nie ehrlich zu mir.«
Sie blickte ihm fest in die Augen. »Du wolltest doch gar nicht, dass ich ehrlich zu dir bin.«
Er wich zurück und wandte den Blick zur Seite. »Wie oft machst du es? Ich meine, wie oft befriedigst du dich selbst?«
Laurel hatte die Erfahrung gemacht, dass ihr Bedürfnis zum Masturbieren nicht sehr groß war, wenn sie wenig Sex hatte. Eigentlich hatte sie das genaue Gegenteil erwartet, dass sie es häufiger brauchte, wenn sie keine feste Beziehung hatte. Doch in ihrem Fall war es genau umgekehrt. Immer dann, wenn sie gut versorgt war, brauchte sie diese ständige Entspannung, ob ihr Geliebter nun verfügbar war oder nicht. Nachdem sie mit Danny zusammengekommen war, war Selbstbefriedigung ein genauso wichtiger Bestandteil ihres Geschlechtslebens geworden wie Verkehr. An Tagen, an denen sie sich nicht sehen konnten, hatte sie unstillbares Verlangen nach Sex, und an den Tagen, an denen sie sich trafen, masturbierte sie manchmal, um sich für das Rendezvous aufzuwärmen.
»Laurel?«
Sie blickte auf. Zum ersten Mal an diesem Tag sah Warren verwundbar aus. So verwundbar und verletzlich, wie Grant manchmal aussah.
»Dieser Kerl, mit dem du dich triffst … ist er eine Art Sexgott oder so?«
»Ich habe keine Affäre, Warren.«
Er schnaubte verächtlich.
»Abgesehen davon«, fuhr sie fort, »was meinst du mit ›dieser Kerl‹? Ich dachte, du wüsstest, dass ich eine Affäre mit Kyle Auster habe.«
Er legte die Hand auf den Brief neben dem Notebook. »Das hier klingt nicht nach Kyle. Ich weiß, dass er mit dir ins Bett steigen würde, ohne eine Sekunde lang nachzudenken. Und ich weiß nicht, was du alles tun würdest, um mich zu verletzen. Aber dieser Brief …« Warren schüttelte den Kopf. »Er hat wirklich verdammt wehgetan.«
Obwohl sie gefesselt war wie eine Gefangene, die ihre Exekution erwartete, spürte Laurel plötzlich, wie Schuldgefühle in ihr aufwallten. War das Verhältnis mit Danny die einzige möglicheAntwort auf ihre ehelichen Probleme gewesen? Selbstverständlich nicht. Sie war einfach nicht mutig genug gewesen, Warren direkt zu konfrontieren – oder sich dem zu stellen, was eine Trennung von Warren nach sich zog. Sie hatte auf einen emotionalen Fallschirm gewartet, und nur durch puren Zufall hatte sie wahre Liebe gefunden.
»Sag mir, wie es ist«, sagte Warren dumpf. »Mit dem Kerl, der das hier geschrieben hat, meine ich. Sag mir, was du empfindest, wenn er es dir macht.«
Du meinst, wenn er es mit mir macht, erwiderte Laurel stumm.
Der Übergang von rasender Wut zu Depression war beinahe augenblicklich. Laurel fühlte sich, als wäre sie auf dem Beifahrersitz in die Gurte geschleudert worden, weil jemand eine Vollbremsung gemacht hatte, und sie hatte sich noch nicht ganz von dem Schreck erholt. Sie wusste nur, dass sie ihrem Mann nicht das kleinste Detail darüber erzählen würde, wie der Sex mit Danny im Vergleich zu ihrem ehelichen Sexleben war. Warren erinnerte sie an die Jungen auf der Highschool: Er hatte einen starken Trieb, der nach Befriedigung verlangte, und ihr Körper war das Gefäß dafür. Warrens sexuelle Routine hatte sich im Lauf der Jahre kaum geändert: Die Spannung baute sich ein paar
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