12 Stunden Angst
Tage – oder auch ein, zwei Wochen lang – in ihm auf, und dann schlief er mit ihr und verschaffte sich Befriedigung. Hin und wieder gelang ihr ein vaginaler Orgasmus, indem sie sich rittlings auf ihn setzte. Doch die einzigen verlässlichen Orgasmen hatte sie, wenn er sie leckte, und im Lauf der Jahre war Warren immer lustloser geworden, es ihr auf diese Weise zu besorgen. So blieb sie jedes Mal unbefriedigt und mit dem Verlangen nach mehr zurück – nach dem Höhepunkt, von dem sie gespürt hatte, dass er gleich hinter dem Horizont wartete.
Im Gegensatz dazu hatte Danny ein instinktives Gespür für das Wechselspiel von weiblicher Erregung und Befriedigung. An manchen Tagen verlangte es Laurel nach stundenlangem Vorspiel, durchsetzt von atemberaubenden Momenten der Erlösung;an anderen Tagen wollte sie erstürmt werden wie eine belagerte Stadt und geplündert, bis nichts mehr von ihr übrig war außer einem schwachen Puls und tiefem Schlaf. Danny wusste innerhalb weniger Augenblicke, nachdem sie sich getroffen hatten, was es diesmal war; oft konnte er es bereits am Timbre ihrer Telefonstimme erkennen, wenn sie sich verabredeten. Einmal hatte Laurel ein Hotelzimmer betreten, nur um plötzlich eine behandschuhte Hand über den Mund gelegt zu bekommen, gepackt und von hinten genommen zu werden, ohne ein einziges Mal das Gesicht des Mannes zu sehen. Erst nachdem er ejakuliert hatte und sie aufs Bett gefallen war, hatte sie gesehen, dass es tatsächlich Danny gewesen war. Sie brauchte diese Art von Abenteuer nicht regelmäßig; es genügte das prickelnde Wissen, dass es jederzeit geschehen konnte. Warren konnte in einem Anfall trunkener Leidenschaft auf sie einstürmen, und sie blieb trotzdem unbefriedigt; Danny hingegen konnte sie zwingen, mucksmäuschenstill dazuliegen, während er sich wie in Zeitlupe bewegte, und doch fühlte ihr Körper sich hinterher an wie eine vertrocknete Fruchthülle, sämtlicher Feuchtigkeit beraubt.
Laurel spürte, wie sie beim Anblick Warrens tiefe, bodenlose Traurigkeit überkam. Die Wahrheit macht die Menschen frei, heißt es zumindest in der Theorie – doch es fiel ihr schwer, etwas Positives darin zu sehen, ihre intimsten Geheimnisse mit Warren zu teilen. Seine Eifersucht war ein Ergebnis seiner Unsicherheit. Er hatte sich nie Gedanken gemacht wegen irgendwelcher hübscher junger Kerle am Pool oder anderer Schönlinge, ganz egal, wie sexy sie sein mochten. Seine Sorgen galten vielmehr anderen Ärzten oder Geschäftsleuten, die mehr Geld verdienten als er, kurz: jedem, der im ewigen Wettbewerb des Lebens besser abschnitt als er selbst. Wenn Warren herausfand, dass seine gesamte Weltsicht falsch war und dass die größte Bedrohung seiner Ehe von einem Mann herrührte, der in keiner Weise mit ihm konkurrierte – der sich genau genommen überhaupt gar nicht um Konkurrenzkampf scherte, sondern sich einfach nur am Leben erfreute (und eine Saite in Laurel zum Schwingen brachte, von derihr Mann keinen Schimmer hatte) –, würde er das vielleicht nicht überleben. Plötzlich, indem sie ihn beobachtete, begriff Laurel die grundlegende Natur dessen, was sich vor ihr entfaltete. Warren war ein Kontrollfreak, der spürte, wie ihm die Herrschaft über sein eigenes Leben unaufhaltsam entglitt. Zuerst auf der Arbeit, dann zu Hause. Die Angst, die in ihm heranwuchs, kannte wahrscheinlich keine Grenzen.
»Hör mal«, sagte Warren plötzlich leise. »Wenn ich dich jetzt losbinde, würdest du mit mir ins Schlafzimmer gehen und Sex mit mir machen?«
Sie schloss unwillkürlich die Augen. »Wenn du es wirklich willst … ja, wahrscheinlich. Aber viel dringender müssen wir uns unterhalten. Irgendjemand versucht dir weh zu tun, Warren, dich vielleicht sogar zu vernichten.«
Sein Kinn bebte wie das von Grant, wenn er mit den Tränen kämpfte. »Ich weiß«, sagte er mit einer Stimme, die plötzlich ganz anders klang als noch einen Moment zuvor. »Dieser Jemand bist du, Miststück! Was ist bloß in mich gefahren, dass ich dich frage, ob du mit mir schlafen willst, du verdammte Nutte!«
Die Worte brannten stärker, als Laurel es für möglich gehalten hätte. »Warren, bitte hör mir zu …«
»Ich werde die Wahrheit schon noch herausfinden!«, gelobte er, indem er gegen den Bildschirm des Notebooks klopfte. »Diese Pornos sind erst der Anfang. Ich werde jedes verdammte letzte Geheimnis aus diesem Misthaufen ausgraben, bevor ich fertig bin.«
Laurel spürte erneut Tränen in sich aufwallen.
In
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