12 Stunden Angst
hat dir eine richtige Ohrfeige verpasst!«
»Es ist nur ein Spiel«, sagte Laurel, während sie ihre Tochter sanft in den Armen wiegte und Warren sie mit loderndem Hass in den Augen beobachtete.
»Ein Spiel?«, fragte Grant verwirrt.
»Austin Powers«, antwortete Laurel, indem sie das erstbeste Bild bemühte, das sie im Durcheinander ihrer Erinnerungen an die Popkultur finden konnte. »Ich glaube, Beth sollte jetzt ein bisschen schlafen.«
Sie wollte das Mädchen ins Schlafzimmer tragen, doch Warrens rechte Hand glitt in die Tasche, in der sein Revolver steckte. »Denk nach«, sagte er warnend. »Überleg dir genau, was du tust, oder …«
Er verstummte, als die Türglocke läutete. Das Echo ihres musikalischen Klangs hallte durchs Haus.
»Jemand ist an der Tür«, sagte Grant, der die Welt nicht mehr zu begreifen schien. »Soll ich … soll ich aufmachen?«
Die Türglocke läutete erneut, dreimal schnell hintereinander.
»Niemand rührt sich vom Fleck«, sagte Warren im Tonfall eines Fernseh-Cops. Er ging zum Erkerfenster und blickte hinunter zum Hauseingang.
»Wer ist das, Dad?«, fragte Grant eingeschüchtert. »Ist es, weil ihr so geschrien habt?«
»Da ist nur irgendein Kerl, der was verkaufen will«, sagte Warren. »Unten an der Straße steht ein alter verbeulter Pick-up.«
Hoffnung durchzuckte Laurel beim Gedanken an Dannys alten Ford.
»Jesses!«, murmelte Warren und versteifte sich.
»Was ist?«, fragte Laurel. Das Herz schlug ihr wild in der Brust.
Warren wandte sich zu ihr um. Er war kreidebleich vor Wut. »Es ist Kyle Auster!«
Seit dem Gespräch mit Dr. Shields hatte Nell höllische Angst gehabt, Shields könnte zurückrufen und mit ihrer Schwester reden. Vida würde ausflippen, falls er ihrer Schwester gegenüber einige von den Dingen erwähnte, die Nell ihm erzählt hatte. Und eine wütende Vida war wie eine Naturkatastrophe. Als sie sechzehn gewesen war, hatte sogar ihr Vater die Kontrolle über sie verloren.
Doch Dr. Shields hatte nicht zurückgerufen, und Dr. Auster war nicht wieder aufgetaucht. Vida verschwand immer wieder vom Empfangsschalter und kam kurz darauf zurück. Die Beleuchtung in der Praxis hatte einige Male geflackert, und einmal war sie eine volle Minute ganz ausgefallen, worauf sich die Notstromversorgung der Computer aktiviert hatte. Als Nell von ihrer Schwester wissen wollte, was das zu bedeuten hätte, hatte Vida nur den Finger auf die Lippen gelegt und gelächelt.
Nun kehrte Vida erneut von einem ihrer kleinen Ausflüge zurück und schob sich auf ihren Stuhl direkt neben Nell. Sie roch nach medizinischem Alkohol.
»Was ist eigentlich los?«, fragte Nell. »Ich bin schrecklich nervös.«
Vida lächelte und raufte ihrer kleinen Schwester das Haar, wie ihre Mutter es immer getan hatte. »So hübsch. So dunkel und fein.«
»Vida …«
»Pssst. Ich möchte, dass du deine Handtasche nimmst und nach Hause fährst. Jetzt sofort.«
Nell wich überrascht zurück. »Nach Hause? Jetzt? Aber warum?«
Vida nickte. »Die Dinge geraten außer Kontrolle. Ich will dich nicht hier in der Praxis haben, wenn der letzte Akt beginnt.«
Nell spürte einen Anflug von Angst um ihre Schwester. »Der letzte Akt? Was meinst du damit?«
»Nichts Schlimmes. Ich hab dir doch erzählt, dass die Finanzbehörde die Praxis überwacht. Und heute Abend kommen irgendwelche Leute her, um die Praxis zu schließen.«
Nell blinzelte ungläubig. »Die Praxis schließen?«
»Ja. Sie machen den Laden dicht.«
Nell schüttelte den Kopf wie ein Kind, das von der Zwangsversteigerung seines Elternhauses erfährt. »Aber … soll das heißen, es ist vorbei? Alles?«
Vida lächelte erneut. »Das würde ich so nicht sagen. Du weißt, dass ich ein paar Asse im Ärmel behalte. Aber der einfache Teil ist sicherlich vorbei. Du musst nach Hause, ein paar Sachen in eine Reisetasche packen – keinen großen Koffer, hörst du? – und zur Bank fahren, um dein Geld abzuheben.«
Nells Nervosität wich unverhohlener Angst. »Alles Geld?«
»Du hast den größten Teil deines Geldes auf deinem Depotkonto, nicht wahr?«
»Ja. Genau wie du es mir gesagt hast.«
»Die Finanzbehörden haben diese Konten möglicherweise eingefroren, aber das bezweifle ich. Sie wollen sich bestimmt nicht verraten. Sie würden Kyles Konten zuerst einfrieren – und die von Shields –, aber nicht unsere. Dein eigentliches Geld steckt außerdem im Haus in Texas, und das können sie dir nicht wegnehmen. Dorthin solltest du auch
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