12 Stunden Angst
Klappe, Arschgesicht!«
Grant lachte belustigt auf.
»Hör auf, deine Schwester zu ärgern!«, sagte Warren tadelnd. »Und du nimm gefälligst nicht solche Ausdrücke in den Mund, junge Dame.«
»Aber wenn er doch ein Arschgesicht ist! «
Grant unterdrückte ein neuerliches Auflachen, während Laurel ihre Tochter fest umarmte.
»Mama?«, fragte Beth leise an ihrem Ohr. »Alles in Ordnung?«
»Ja, jetzt geht es mir wieder gut. Ich musste euch einfach sehen.«
»Ich will nicht, dass du Kopfschmerzen hast.«
Heiße Tränen liefen Laurel über die Wangen. Sie legte den Kopf in den Nacken und wischte sie an Beth’ Umhang ab. Dann löste sie sich von ihr.
»Mama, deine Hände sind ganz klebrig! Und deine Wimperntusche ist verlaufen!«
Laurel schob die Unterlippe vor und blies Luft über ihr Gesicht in der Hoffnung, die Tränen zu trocknen. »Es sind bloß die Kopfschmerzen, Liebling. Habt ihr Männer auch Lust auf Essen und Trinken?«
»Ja, ich hab Kohldampf«, sagte Grant. »Können wir runtergehen und irgendwas in der Mikrowelle machen?«
»Noch nicht«, sagte Warren. »Ich bringe euch gleich etwas nach oben. Aber zuerst müssen wir uns unterhalten.«
Ein Schauer der Angst durchlief Laurel. Sie drehte sich zu Warren um, doch er blickte sie nicht an, sondern nahm Beth an der Hand und führte sie zum Sofa, auf dem Grant lag.
»Setz dich, Sohn«, sagte er. »Los, komm in Schwung. Das ist eine Familienkonferenz.«
Grant stöhnte. »Aber ich bin am Verhungern!«
Laurel wollte aus dem Zimmer fliehen. Sie sah nun, dass Warren sie nicht zu den Kindern gebraucht hatte, um sie zu beruhigen, sondern um sie schlimmer zu foltern, als es ihm unten jemals möglich gewesen wäre. Grant und Beth saßen nebeneinander auf der Couch und sahen ihren Vater aufmerksam und vollkommen arglos an. Schneewittchen und der Skateboard-Prinz. Ein unschuldigeres Paar von Engeln konnte es nicht geben. Warren zog zwei Stühle vor die Couch und setzte sich auf einen davon, den Kindern zugewandt, bevor er Laurel bedeutete, auf dem anderen Platz zu nehmen.
Sie blieb wie angewurzelt stehen.
»Komm zu uns, Laurel«, sagte Warren. »Es dauert nicht lange.«
»Was ist denn los, Daddy?«, fragte Beth. »Hat Christy schon wieder im Haus Aa gemacht?«
»Nein, Liebling. Es ist ernster als das.«
Als Laurel sich weigerte, zuckte Warren die Schultern, als wollte er sagen, na schön, meinetwegen. Dann wandte er sich den Kindern zu. »Eure Mutter muss euch etwas sagen. Also passt gut auf.« Er drehte sich erwartungsvoll zu Laurel um.
»Warren«, sagte sie tonlos. »Ich muss mit dir reden. Draußen.«
Er lächelte in scheinbarem Mitgefühl. »Mom hat Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, Kinder. Deswegen werde ich ihr helfen. Während ihr in der Schule wart und ich im Krankenhaus hart gearbeitet habe, hat eure Mom einen neuen Freund kennen gelernt.«
Grant kniff die Augen zusammen. »Echt? Wer ist es, Mom?«
Laurel starrte ihren Ehemann an. Sie betete im Stillen, dasser nicht weiterredete. Doch der Hass in seinen Augen war unverhüllt und hätte tiefer nicht sein können. Nichts konnte ihn aufhalten. Laurel überlegte, ob sie die Kinder schnappen und versuchen sollte, aus dem Zimmer zu fliehen, aber das hätte mit ziemlicher Sicherheit zu einem Kampf mit Warren geführt, der den Kindern noch mehr schadete.
»Ich weiß noch nicht, wer es ist«, sagte Warren. »Mom will es mir nicht verraten. Aber sie war jeden Tag mit ihm zusammen, an einem geheimen Ort, und hat ihn in den Armen gehalten und geküsst.«
Beth riss die Augen auf. Sie starrte ihren Vater an, dann ihre Mutter, den Blick voll unausgesprochener Fragen.
Das ist nicht wahr, wollte Laurel hinausschreien. Es ist nicht wahr! Doch es war die Wahrheit. Sie hatte genau das getan, was Warren ihr vorwarf.
»Ich weiß, man kann es nur schwer verstehen«, fuhr Warren fort. »Aber eure Mom ist uns leid. Unsere Familie langweilt sie. Darum sucht sie nach einer neuen Familie, die sie glücklicher macht.«
Die Gesichter ihrer Kinder bewegten sich auf eine Weise, wie Laurel es nie für möglich gehalten hätte. Sie musste die Implosion ihrer Unschuld mit ansehen. Und sie selbst war dafür verantwortlich, nicht Warren. Auch wenn Warren derjenige war, der redete – sie fühlte sich, als würde sie ihre Kinder festhalten und schlagen, ohne dass sie sich wehren konnten.
»Mama?«, fragte Beth. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ist das wahr? Bist du uns leid?«
Laurel wurde
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