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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sie in ihrem jetzigen Zustand sahen. Doch irgendwo in ihremUnterbewusstsein schwelte die Angst, dass sie diese Konfrontation vielleicht nicht überlebte. »Okay«, willigte sie ein.
    Mit geübter Bewegung stellte Warren die Zahlenkombination ein und öffnete das Fahrradschloss. Im einen Moment war Laurel noch gefesselt und seine Gefangene – im nächsten Augenblick war sie frei. Zumindest frei, sich zu bewegen. Seine Gefangene war sie immer noch.
    Sie hatte damit gerechnet, dass er sie auf direktem Weg nach oben brachte, doch er packte sie beim Arm und führte sie ins Wohnzimmer, wo ihr Laptop immer noch mit ratternder Festplatte auf dem niedrigen Tisch stand. Warren blieb zwischen Laptop und Laurel stehen und blickte auf den Bildschirm, um sich von den Fortschritten des Passwortprogramms zu überzeugen. Über Warrens Schulter hinweg erspähte Laurel die verkleinerte Log-In-Seite von Hotmail halb transparent über dem Bild eines graubärtigen Zauberers, der weise aus dem Bildschirm blickte. Vom Zauberstab in seiner Hand zuckten Blitze, doch viel mehr interessierte Laurel die numerische Anzeige in einem kleinen Fenster unter dem Bild. Sie war siebenstellig – die letzten drei Ziffern zählten zu schnell hoch, um etwas zu erkennen. Es sah aus wie die Anzeige einer Zapfsäule beim Befüllen eines riesigen Benzintanks. Darüber füllte eine Reihe von Sternchen die Passwort-Spalte der Log-In-Seite, und eine rote Fehlermeldung besagte: LOG-IN FEHLGESCHLAGEN. Die Sternchen und die Fehlermeldung schienen permanent, doch als Laurel genauer hinsah, merkte sie, dass beides in so schneller Folge blinkte, dass man es bei oberflächlicher Betrachtung gar nicht sah. Irgendwie hatte das Programm jenen Sicherheitsmechanismus ausgehebelt, der Besucher nach dem zehnten falschen Log-In vom Server warf. Sie fühlte sich, als säße ein Geisterroboter an ihrem Computer, der mit Lichtgeschwindigkeit in ihren Account einzubrechen versuchte.
    »Jetzt ist es jeden Augenblick so weit«, verkündete Warren mit einem bedeutungsvollen Blick. »Nervös?«
    Sie wandte sich ab. »Gehen wir zu den Kindern.«
    »Okay.«
    Er führte sie zur Treppe und ließ ihren Arm erst los, als sie die oberste Stufe erreicht hatten. Im Spielzimmer der Kinder plärrte der Fernseher. Laurel versuchte sich innerlich zu wappnen, doch sie wusste, sie würde weinen, sobald sie die Kinder sah. Sie war schon einmal in Tränen ausgebrochen, als sie die Kinder nach einem fünf Tage dauernden Seminar in Dallas wiedergesehen hatte. Sie rechnete damit, dass Warren eine seiner Warnungen ausstieß, doch er steckte bloß die Waffe weg, öffnete die Tür und rief: »Guckt mal, wer hier ist!«
    Laurel hörte ein raschelndes Geräusch zur Linken, doch es war nichts zu sehen. Ihr Blick schweifte zur Couch, wo Grant auf dem Rücken vor dem großen Fernseher lag. Er hatte seine Schuluniform ausgezogen, ein Skateboard-T-Shirt übergestreift und Turnschuhe angezogen. Auf dem Bildschirm wirbelte Tony Hawk über den Rand einer riesigen Halfpipe, wie Grant unbedingt eine im Garten haben wollte, was er seinem Vater nicht müde wurde zu erklären.
    »Hallo, Mom«, sagte Grant und bewegte kurz die Augen in ihre Richtung. »Was machen deine Kopfschmerzen?«
    »Es geht ihr schon besser«, sagte Warren rasch. »Aber es ist noch nicht vorbei. Wo steckt deine Schwester?«
    »Hier drüben!«, sagte eine helle Stimme. »Ta-daaa!«
    Beth sprang hinter der Schranktür hervor. Laurel schlug die Hand vor den Mund, um den Schmerz zu verbergen, der sie beim Anblick ihrer Tochter durchzuckte. Beth trug das Schneewittchen-Kostüm, das Laurel ihr beim letzten Besuch in Disney World gekauft hatte. Nicht das billige einteilige, sondern das komplette Ensemble aus gelbem Satin und dunkelblauem Samt mit hellroten Bändern, das genauso aussah wie in dem Walt-Disney-Klassiker. Das stolze Lächeln und die funkelnden Augen machten Laurels Tochter unglaublich lebendig und glücklich – als wäre Schneewittchen persönlich aus seinem Film gesprungen.
    »Wie sehe ich aus?«, fragte Beth.
    Laurel biss sich auf die Unterlippe und kniete sich vor ihrerTochter hin. »Hast du dich ganz alleine angezogen, Schneewittchen?«
    Beth knickste mit eleganter Ernsthaftigkeit.
    »Ich hab ihr geholfen«, sagte Grant von der Couch her.
    »Hast du nicht!«, protestierte Beth.
    Grant zuckte die Schultern.
    »Er hat mir nur die Schleife gebunden!«, erklärte Beth. »Sonst nichts.«
    » Gaaanz genau!«, rief Grant schleppend.
    »Halt die

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