12 - Tod Bei Vollmond
einmal getroffen? Sagen wir in der Vollmondnacht des letzten Monats?«
»Nein.«
»Doch in dieser Vollmondnacht bist du auf dem Hügel gewesen.« Sie deutete auf das Eberdickicht. »Du warst mit Accobrán dort.« Sie hatte das als Feststellung und nicht als Frage formuliert.
Bruder Dangila blickte ihr ins Gesicht, schwieg aber.
»Ist dir bewußt, daß du mir deine Geschäfte mit Accobrán offenlegen mußt?« fragte sie.
»Was sein muß, muß sein. Falls ich gegen eure Gesetze verstoßen habe, so tut es mir aufrichtig leid. Doch weder ich noch meine Gefährten haben die drei Mädchen umgebracht, wie manche hier behaupten.«
Fidelma stand auf. »Ich werde dir und den anderen beiden Brüdern mitteilen, wann die offizielle Anhörung in dieser Angelegenheit stattfindet. Bis dahin rate ich dir noch einmal, ja, ich warne dich, nicht den Schutz dieser Abtei zu verlassen.«
Als sie entlang des Flußufers durch den Wald ritten, sagte Eadulf: »Dieser Fall ist für mich völlig undurchschaubar. Früher war mir zumindest immer die Richtung klar, die wir einzuschlagen hatten. Doch hier folgt ein Verwirrspiel dem nächsten.«
»Weil wir es mit mehreren rätselhaften Dingen gleichzeitig zu tun haben und nicht nur mit einem einzigen. Mein Verdacht geht dahin, daß sie alle irgendwie zusammenhängen. Ich bin mir ganz sicher, über kurz oder lang stehen wir vor der Lösung.«
Überraschenderweise trafen sie Liag am Fluß. Er saß mit einer Angel auf einem Felsen. Als sie ihre Pferde an einem niedrig hängenden Ast eines Baumes festbanden, hob er nur ein wenig den Kopf.
»Sprecht leise, sonst vertreibt ihr die Fische«, sagte er, als sie auf ihn zukamen.
»Suchst du nach dem Lachs des Wissens, Liag?« fragte Fidelma ein wenig boshaft. Sie ließ sich auf einen großen Stein nieder.
Gleichmütig erwiderte der Alte. »Für eine Forelle wird es langen, der Lachs ist ein recht edler Fisch. Doch ich fürchte, daß eine gewisse dálaigh die Eigenschaften des Fintan eher benötigt.«
Eadulf verstand nicht, was er damit sagen wollte. Also bat er um eine Erklärung.
»Das ist eine alte Legende, mein sächsischer Freund. Fintan, ein großer Lachs, aß von der verbotenen Haselnuß des Wissens, bevor er in einen großen Fluß nördlich von hier schwamm, der den Namen der Göttin der Kühe trägt, Boann. Der Druide Finegas fing eines Tages diesen Lachs, von dem man wußte, daß er das ganze Wissen der Welt besaß. Doch vor der Mahlzeit wollte sich Finegas ausruhen und beauftragte darum seinen jungen Gehilfen Fionn, den Sohn von Cumal, damit, den Spieß mit dem Fisch im Feuer zu wenden, verbot ihm jedoch, davon zu essen. Plötzlich verbrannte sich Fionn den Daumen an dem heißen Fisch und saugte den Saft weg. So gelangte er zu großer Weisheit. Er wurde zum heldenhaften Anführer der Fianna, der auserwählten Schar wilder Krieger und Jäger der Großkönige.«
Eadulf rümpfte dazu nur die Nase.
»Wir interessieren uns nicht für alte Volksmärchen«, bemerkte er geringschätzig.
Liag blickte Fidelma an.
»Wirklich nicht?« fragte er freundlich.
»In gewisser Weise schon«, sagte Fidelma. »Ich würde gern mehr erfahren über alte Sagen und dein Wissen über die Gestirne.«
Liag nickte bedächtig. »Das dachte ich mir schon. Diese Dinge habe ich viele Generationen von Menschen gelehrt.«
»Stimmt es, daß auch die drei Mädchen zu deinen Unterweisungen kamen?«
»Und viele andere ebenfalls.«
»Etwa Accobrán?«
»Ja, auch Accobrán, Menma, Creoda, Gabrán und sogar ihre Väter früher. Man kann sie gar nicht alle aufzählen.«
»Sogar Bruder Dangila teilt deine Interessen, wie ich hörte. Ich wußte nicht, daß du Griechisch sprichst.«
»Ein Mensch in meinem Beruf muß viele Sprachen beherrschen, Fidelma, so wie du.«
»Wie ist deine Beziehung zu Bruder Dangila?«
»Er ist ein intelligenter Mann, ein Gelehrter seines Volkes. Wir treffen uns und unterhalten uns über die Himmelskörper, denn die sind wie Landkarten der Zivilisation. Die Menschen schauten zum Himmel empor und lernten vieles. Wann man aufstehen und arbeiten oder zu Bett gehen und schlafen muß. Als der Mensch die Bewegung der Gestirne erkannte, merkte er, daß sie ihm Auskunft über die Zeit geben konnten, über das Ausbringen der Saat und die Einfuhr der Ernte, wann man Wärme und Kälte zu erwarten hatte oder wann die Tage länger oder kürzer wurden. All diese Dinge lassen sich einzigartig vom Himmel ablesen, wenn wir es nur beherzigen würden, wie es
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