12 - Tod Bei Vollmond
Cashel.«
Eigentlich war Fidelma noch neugieriger als Eadulf, was den Grund des Besuchs ihres entfernten Cousins betraf. Als sie mit Eadulf zu den privaten Räumen von Colgú, dem König von Muman, schritt, dachte sie ständig daran. Der königliche Haushofmeister hatte ihnen mitgeteilt, daß Colgú sie vor dem Festmahl bei sich empfangen wollte. Der junge König war allein. Es war kaum zu übersehen, daß Fidelma und Colgú eng miteinander verwandt waren, denn sie waren beide hochgewachsen, hatten rote Haare und die gleichen wandelbaren grünen Augen. Ihre Gesichtszüge ähnelten sich, und beide hatten die gleiche Art, sich zu bewegen.
Colgú empfing sie mit einem herzlichen Lächeln und umarmte seine Schwester. Dann streckte er Eadulf die Hand entgegen.
»Geht es dem Kleinen gut?« fragte er.
»Alchú ist wohlauf, ja. Sárait ist bei ihm«, erwiderte Fidelma. Rasch blickte sie sich im Raum um. »Wie ich sehe, ist dein Gast nicht hier, Bruder. Das bedeutet, daß du mit uns etwas besprechen willst, ehe wir ihn begrüßen.«
Colgú lächelte. »Wie immer beweist du einen wachen Verstand, Fidelma. Ja, ich wollte tatsächlich vor dem Essen mit euch reden. Doch die Neuigkeiten sollt ihr direkt aus dem Mund unseres Cousins erfahren. Ich werde ihn später rufen lassen, bevor wir in den Saal gehen, wo, den Umständen entsprechend, nur noch eine oberflächliche Unterhaltung stattfinden kann.«
Eadulf hustete verlegen. »Vielleicht sollte ich mich zurückziehen, wenn die Angelegenheit eure Familie betrifft?«
Colgú streckte ihm eine Hand entgegen und hieß ihn bleiben. »Du gehörst nun zur Familie. Als Mann meiner Schwester und Vater ihres Sohnes. Außerdem geht diese Sache auch dich an.«
Fidelma nahm auf einem der Stühle vor dem Feuer Platz, Eadulf wartete, bis Colgú ihm das Zeichen gab, sich zu setzen. So schrieb es das Zeremoniell vor. Fidelma war nicht nur die Schwester des Königs, sondern eine anruth , eine Anwältin bei Gericht, also durfte sie sich auch ohne Erlaubnis in Anwesenheit der Provinzkönige setzen und vor ihnen das Wort ergreifen. Sie durfte sogar in Anwesenheit des Großkönigs sitzen, wenn man sie dazu einlud. Eadulf, der, obwohl Fidelmas Ehemann, in diesem Königreich ein Fremder war, mußte warten, bis man ihn zum Sitzen aufforderte.
»Colgú, deinen Bemerkungen entnehme ich, daß die Angelegenheit, in der Becc mit dir reden will, keine nur familiäre Sache ist?« fragte Fidelma.
»So ist es«, erwiderte Colgú. »Er spricht von dem Bösen und vom Tod. Unter den Cinél na Áeda herrschen Furcht und Schrecken.«
Überrascht zog Fidelma ihre Augenbrauen hoch.
»Das Böse und der Tod?« wiederholte sie leise. »Das Böse ist ein emotionsgeladenes Wort, aber der Tod weilt immer unter uns. Wieso werden beide Wörter zusammen genannt?«
»Er spricht von Aberglauben und von möglicherweise unheiligen Ritualen, die sich unter den Bewohnern der dunklen Wälder breitgemacht haben.«
»Da bin ich aber gespannt, Bruder. Erzähl mehr davon.«
»Ich werde Becc rufen lassen, damit er weiterberichtet«, erwiderte Colgú. »Ihr sollt gleich alles aus seinem Mund erfahren.« Er langte nach einer kleinen silbernen Glocke, die sich seitlich auf einem Tisch befand. Kaum war das schrille Läuten verklungen, da trat der Haushofmeister des Königs ein und ließ auf ein Nicken von Colgú hin einen älteren Mann hereinkommen. Sein Gesicht mit dem buschigen Bart verriet noch, wie schön es in seiner Jugend gewesen sein mußte. Er besaß die durchtrainierte Figur eines Kriegers, die im Alter kaum an Stattlichkeit eingebüßt hatte.
»Becc, Stammesfürst der Cinél na Áeda«, verkündete der Haushofmeister, ehe er sich zurückzog und die Tür schloß.
Nur Eadulf erhob sich unbeholfen, als der fremde Fürst eintrat, dessen Name ganz im Gegensatz zu seiner hohen Gestalt stand – Becc bedeutete »der Kleine«. Becc verneigte sich förmlich vor Colgú, ehe er sich mit einem sanften Lächeln Fidelma zuwandte und ihr zunickte.
»Fidelma, wo ist das kleine Mädchen geblieben, dem ich vor vielen Jahren begegnet bin? Dein Ruhm eilt dir jetzt in allen Teilen unseres Königreiches voraus.«
»Wie freundlich von dir, Cousin Becc«, erwiderte Fidelma ernst. »Erlaube mir, dir meinen Gefährten Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham aus dem Land des Südvolks vorzustellen.«
Becc wandte sich nun Eadulf zu und betrachtete ihn verschmitzt aus spöttischen blaugrünen Augen.
»Ich habe Bruder Eadulfs Namen immer im gleichen
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