12 - Tod Bei Vollmond
alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.‹ Frag Petrán, ob er etwa leugnet, daß Gott Mann und Frau schuf, und ob die Ehe nicht von ihm zu einem ehrbaren Stand gemacht worden ist.«
»Ich glaube nicht, daß Petrán die Einzelheiten dieser Sache mit mir erörtern will.«
Fidelma streckte sich ein wenig aus. »Ich schätze, daß Petrán viele Dinge nicht gutheißt, die wir aus Éireann tun, seit er einige Jahre in einem fränkischen Kloster verbracht hat, wo man den Zölibat lehrt und lebt. Keusch sind nur jene Männer und Frauen, die nicht fähig sind, von ihren Mitmenschen Liebe zu erhalten. Daher hängen sie sich den Mantel der Keuschheit um, geben vor, den Unkörperlichen zu lieben, und schrecken vor Menschen aus Fleisch und Blut zurück. Zwingt man Menschen dazu, ihre Liebe gegenüber ihren Mitmenschen zu unterdrücken, so können sie gewiß auch nichts anderes lieben, ganz zu schweigen von Gott. Uns sollte es nicht weiter stören, was Petrán denkt, denn er wird sich bald auf eine Pilgerreise nach Lucca machen, einer Stadt nördlich von Rom, wo vor hundert Jahren der heilige Fridian von Éireann Bischof gewesen ist.«
Eadulf war ein wenig hin und her gerissen zwischen seiner Bewunderung für ihre philosophischen Ausführungen und dem Gefühl, ihr nicht das Wasser reichen zu können. Er wünschte, er hätte ein so gutes Gedächtnis wie Fidelma, die ganze Abschnitte aus der Bibel zitieren konnte. Die Gelehrten von Éireann hatten sich jahrhundertelang in dieser Kunst geübt. Fidelma hatte ihm davon berichtet, daß man vor der Einführung des Christentums in ihrem Land traditionell religiöse und philosophische Texte nicht schriftlich festhielt. Männer wie Frauen verwandten mehr als zwanzig Jahre darauf, die alten Gesetze und Riten auswendig zu lernen.
»Ich schätze, daß wir Bischofs Petráns Ansicht nach zweifach verdammt sind«, sagte Eadulf, stand auf und ging in die Ecke des Raumes, wo die Wiege stand.
»Weck ihn nicht auf«, sagte Fidelma.
»Auf keinen Fall«, versicherte Eadulf ihr. Er sah auf das schlafende Baby hinab. Auf der Stirn lagen feine rote Haarsträhnen. Eadulf lächelte voller väterlichen Stolzes. »Es ist immer noch kaum zu glauben, daß wir einen Sohn haben«, sagte er leise, mehr zu sich selbst.
Fidelma stand rasch auf und stellte sich neben ihn, wobei sie eine Hand auf seinen Arm legte. »Vier Monate hattest du nun schon Zeit, dich mit Alchús Ankunft in dieser Welt anzufreunden.«
»Sanfter Hund.« Eadulf übersetzte den Namen leise, während er auf das Kind niederblickte. »Ich frage mich, was aus ihm einmal werden wird.«
»Er muß erst einmal groß werden, Eadulf, und das dauert.« Fidelma kehrte wieder ans Feuer zurück und setzte sich. »Sárait wird bald hier sein und sich um ihn kümmern, denn wir sind heute abend bei meinem Bruder zum Festmahl gebeten.«
Sárait war Fidelmas Dienerin und das Kindermädchen von Alchú. Solange Fidelma im Schloß ihres Bruders in Cashel wohnte, wurde sie nicht als Nonne behandelt, sondern als eine Prinzessin der Eóghanacht, die Schwester des Königs von Muman.
»Aus welchem Anlaß wird gefeiert?« wollte Eadulf wissen.
»Man hat mir mitgeteilt, daß der Stammesfürst der Cinél na Áeda heute nachmittag eingetroffen ist und meinen Bruder um Hilfe ersucht hat. Colgú hat uns gebeten, an der Tafel zu erscheinen.«
»Hilfe? Welcher Art wohl?«
Fidelma zuckte gleichgültig die Schultern. »Das weiß ich nicht. Ich habe mich auch schon gefragt, was ihn nach Cashel getrieben hat. Heute abend werden wir es erfahren.«
»Wer sind die Cinél na Áeda? Ich dachte, ich würde alle Stämme deines Königreiches kennen, doch an den Namen kann ich mich nicht erinnern.«
»Sie leben in den Hügeln südlich vom Fluß Bride, einen gemächlichen Zweitageritt südwestlich von hier. Die Festung des Stammesfürsten wird Rath Raithlen genannt. Er heißt Becc und ist ein entfernter Cousin von mir, denn sein Volk gehört zu den Eóghanacht. Beccs Großvater Fedelmid war vor achtzig Jahren König von Cashel. Ich habe Becc zuletzt als kleines Mädchen gesehen, da war ich sogar mal in seinem Herrschaftsgebiet.«
»Also stattet er Cashel nicht so häufig einen Besuch ab?«
»Äußerst selten«, entgegnete Fidelma. »Er kommt nur zu den Zusammenkünften der Ratsversammlung dieses Königreiches. Sonst pflegt Becc keine weiteren Kontakte zu
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