12 - Tod Bei Vollmond
behaupten«, meinte sie und wählte sorgfältig ihre Worte, »wir hätten die Verbindung gutgeheißen, zumindest anfangs. Wir lehnten sie schon aus Prinzip ab. Dann lernten wir das Mädchen kennen. Beccnat schien die üblen Launen und Wutausbrüche ihres Vaters nicht geerbt zu haben. Wir mochten sie und hätten sie unter anderen Umständen sehr gern in unserem Haus willkommen geheißen. Am Ende gaben wir nach und überließen Gabrán die Entscheidung.«
Goll pflichtete ihr bei. »Seit ich Fínmed geheiratet habe, zeigt Lesren offen seine Feindseligkeit gegen uns. Ich bin ihm in all den Jahren aus dem Weg gegangen. Doch als Gabrán seine Heiratsabsichten kundtat, wurde Lesren regelrecht zur Plage.«
»Zur Plage?« wiederholte Eadulf rasch. »Inwiefern?«
Gabrán hatte die ganze Zeit über schweigend neben seiner Mutter gestanden. Die Sache nahm ihn sichtbar mit. Jetzt konnte er sich nicht länger zurückhalten.
»Wenn jemand Beccnat umgebracht hat, dann Lesren. Sie hat ihn gehaßt. Er hat sie wie ein Tier behandelt, so wie er auch ihre Mutter Bébháil behandelt.«
»Lesren soll Beccnat getötet haben?«
»Er hat ihre Seele getötet. Hat ihr die Kindheit und Jugend genommen. Das meine ich«, erwiderte Gabrán trotzig.
»Darauf wollen wir später zurückkommen, Gabrán«, sagte Fidelma. »Weshalb wurde Lesren zu einer Plage für euch, Goll?«
»Er begann mich auszuspionieren und zeigte mich bei Aolú, dem Brehon von Rath Raithlen, an, weil ich eine Esche gefällt hatte. Ich weiß. Es war nicht rechtens. Ich mußte einen screpall Buße zahlen, deswegen beschwere ich mich nicht. Lesrens Kleinlichkeit machte mich wütend. Ich wollte es ihm auf gleiche Weise heimzahlen. Wie ich gehört hatte, wollte er zur falschen Zeit Baumrinde abschälen. Also legte ich mich auf die Lauer und beobachtete ihn, als er sich im verbotenen Monat an den Rinden der Apfelbäume zu schaffen machte.«
»Und so wurde auch ihm vom Brehon eine Strafe auferlegt. Waren damit die kindischen Streitereien beendet?«
Goll schüttelte den Kopf. »Lesren drehte nun völlig durch. Er setzte alles daran, Beccnat und meinen Sohn auseinanderzubringen. Und über meine Frau brachte er widerliche Geschichten in Umlauf.«
»Hast du Brehon Aolú davon in Kenntnis gesetzt?«
»Natürlich. Aolú riet mir, es zu vergessen.«
»Aolú, der Brehon, hat dir geraten, zu vergessen, daß jemand Lügen über euch in die Welt setzte?« Fidelma konnte es nicht fassen.
Eadulf erinnerte sich sofort daran, daß das Verbreiten von Verleumdungen vom Gesetz streng verfolgt wurde. Ausgerechnet ein Richter hatte geraten, ein solches Vergehen einfach abzutun. Erst gestern hatte Fidelma Lesren gewarnt, daß seine Verleumdungen ernste Folgen haben könnten. Die Strafe würde sich auf den gesamten Sühnepreis des Opfers belaufen.
»Aolú meinte, ich solle die Sache nicht weiter verfolgen. Er sagte, er würde sich Lesren mal unter vier Augen vornehmen, und dann wäre sie aus der Welt.«
»Und, war sie das?«
»Lesren ließ nach wie vor keine Gelegenheit aus, Gerüchte über uns zu verbreiten«, erklärte Goll.
»Beccnat war ganz außer sich«, meldete sich nun wieder Gabrán zu Wort. »Das Leben mit ihrem Vater wurde immer unerträglicher, und ihre Mutter war zu schwach, um daran etwas zu ändern. Lesren beherrschte Bébháil voll und ganz. Daher beschlossen wir fortzulaufen.«
Geschwind nickte Fínmed. »Darin unterstützten wir unseren Sohn. Das ist ja nicht verboten.«
»Ich weiß«, sagte Fidelma. Es gab zwei Formen der legalen Eheschließung. Eine davon wurde dadurch vollzogen, daß ein Mädchen ohne das Einverständnis ihrer Eltern mit einem Mann durchbrannte. »Wann wolltet ihr fliehen?«
»Sobald ich von der Küste wieder zurück war«, erwiderte Gabrán bedrückt.
»Als Beccnat umgebracht wurde, warst du an der Küste?« erkundigte sich Eadulf.
»Er war im Kloster Molaga«, erklärte Fínmed rasch.
»Und Beccnat war mit dem Plan einverstanden?« fragte Fidelma mit Nachdruck. »Sie hat dir nicht gesagt, sie hätte es sich anders überlegt und wollte dich nicht mehr heiraten?«
»Das hat dir Lesren erzählt«, fuhr Gabrán sie zornig an.
»Ich möchte nur der Wahrheit auf die Spur kommen«, entgegnete Fidelma ungerührt.
»Als ich Beccnat zum letztenmal sah, war alles in Ordnung«, sagte Gabrán leise, aber bestimmt.
»Und wann war das?«
»Zwei Tage vor Vollmond.«
»Warum mußtest du zur Küste?«
Nun antwortete Goll. »Der Abt von Molaga hatte eine
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