12 - Wer die Wahrheit sucht
anderen Testamenten war das ja auch schon so.«
»Aber es war nie eine Fünfzig-zu-Fünfzig-Teilung. Und in den früheren Testament erbten seine Kinder immer mehr als die anderen Leute. Vielleicht fürchtete Guy, Sie würden da einhaken. Er wusste, dass Sie die Bedeutung dieser Testamentsverfügungen erfassen würden, sobald sie sie hörten.«
»Natürlich hätte ich protestiert«, räumte Ruth ein. »Aber das hätte nichts geändert. Meine Proteste haben bei Guy nie gezählt.«
»Ja, aber das war, bevor...« Forrest machte eine zaghafte Handbewegung. Ruth verstand sie als Anspielung auf den Krebs.
Ja. Wenn Guy gewusst hätte, dass sie sterben musste, ergab es einen Sinn. Auf die Wünsche einer Schwester, die nicht mehr lange zu leben hatte, hätte er gehört. Sogar er. Und auf sie zu hören, hätte für ihn geheißen, seinen Kindern ein Erbe zu hinterlassen, dass das der beiden einheimischen Jugendlichen erreichte, wenn nicht übertraf. Aber genau das hatte Guy nicht gewollt. Seine Töchter bedeuteten ihm längst nichts mehr; sein Sohn hatte ihn ein Leben lang enttäuscht. Er wollte den Menschen etwas geben, die seine Liebe so erwidert hatten, wie seiner Meinung nach Liebe erwidert werden sollte. Er hatte sich also an die gesetzlichen Vorschriften gehalten und sich, indem er seinen Kindern die ihnen zustehenden fünfzig Prozent hinterlassen hatte, die Freiheit verschafft, über den Rest nach eigenem Belieben zu verfügen.
Aber ihr nichts davon zu sagen... Ruth fühlte sich, als wäre sie mitten im leeren Raum ausgesetzt worden, aber in einem von Stürmen durchtobten Raum, in dem sie nirgendwo mehr Halt finden konnte. Guy, ihr Bruder, ihr Fels, hatte sie im Dunklen gelassen. In weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sie die Unterlagen seiner heimlichen Reise nach Kalifornien entdeckt und jetzt sein listiges Manöver, um die jungen Menschen zu bestrafen, die ihn enttäuscht hatten, und diejenigen zu belohnen, die das nicht getan hatten.
»Dieses letzte Testament war ihm sehr wichtig«, bemerkte Mr. Forrest, wie um sie zu beruhigen. »So wie es abgefasst war, hätten seine Kinder ohne Rücksicht auf die anderen Erben auf jeden Fall eine stattliche Summe bekommen. Er begann vor nahezu zehn Jahren mit einem Kapital von zwei Millionen Pfund, wenn Sie sich erinnern. Klug angelegt, hätte sich das zu einem Vermögen entwickeln können, das für jeden Erben einen zufrieden stellenden Anteil abgeworfen hätte.«
Obwohl immer noch vom schmerzlichen Wissen über das Handeln ihres Bruders gequält, entgingen Ruth nicht die Formulierungen hätte und könnte von Mr. Forrests Bemerkungen. Er schien plötzlich sehr weit entfernt, während der stürmische Raum, in den sie hineingestoßen worden war, sie immer weiter von der Menschheit fortriss. Sie sagte: »Gibt es noch etwas, das ich wissen muss, Mr. Forrest?«
Dominic Forrest schien sich die Frage zu überlegen. »Das Sie wissen müssen? Nein, das würde ich nicht sagen. Andererseits - in Anbetracht der voraussichtlichen Reaktionen von Guys Kindern... ich denke, es wäre gut, vorbereitet zu sein.«
»Worauf?«
Der Anwalt nahm einen Zettel zur Hand, der neben dem Telefon auf seinem Schreibtisch lag. »Der amtliche Buchprüfer hatte mir eine Nachricht hinterlassen. Sie wissen, die Anrufe, die ich noch zu erledigen hatte? Einer war ein Rückruf an ihn.«
»Und?« Sie erkannte sein Zögern an der Art, wie Forrest auf den Zettel hinuntersah; es war das gleiche Zögern, das sie von ihrem Arzt kannte, wenn der seine Kräfte sammelte, weil er etwas Schlimmes sagen musste. Sie wusste also genug, um sich innerlich zu wappnen, auch wenn das nicht viel half. Sie wäre trotzdem am liebsten aus dem Zimmer gerannt.
»Ruth, es ist nur noch sehr wenig Geld da. Knapp zweihundertfünfzigtausend Pfund. Normalerweise ein ansehnlicher Betrag. Aber wenn man bedenkt, dass er mit zwei Millionen angefangen hat. Er war ein kluger Geschäftsmann, kaum einer konnte ihm das Wasser reichen. Er wusste immer, wann, wo und wie er sein Geld anlegen musste. Es müsste eigentlich viel mehr auf seinem Konto sein, als noch da ist.«
»Was ist geschehen?«
»Mit dem Rest des Geldes? Ich weiß es nicht«, sagte Forrest. »Als der Buchprüfer mir berichtete, habe ich sofort gesagt, dass da ein Irrtum vorliegen muss. Er prüft die Sache noch einmal, aber er sagte, soweit er sehen konnte, war es eine klare Angelegenheit.«
»Was heißt das?«
»Offenbar hat Guy vor zehn Monaten einen beträchtlichen Teil
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